Effektiver Altruismus: Mit Logik zum ethisch korrekten Beruf?

Stellt ihr euch auf der Suche nach einem Job die Frage: Wie kann meine Arbeit die Welt besser machen? Da die Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich sehr begehrt sind, bietet der Effektive Altruismus dazu einen etwas anderen Denkansatz. Und hier spielen Geld und die eigenen Fähigkeiten eine große Rolle.
Neon-Schriftzug "Don't just take, give."
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von Regina Rohland, 8. Februar 2018 um 07:26

Das Glück auf der Welt vermehren

Im Effektiven Altruismus geht es darum, Gutes zu tun. Und das eben möglichst effizient. Diese Philosophie und die soziale Bewegung dahinter haben ihre Anfänge in den frühen 2010er Jahren. Ihr Ausgangspunkt ist der Utilitarismus, eine zweckorientierte Ethik, in deren Mittelpunkt die Frage steht: "Wie kann ich am meisten bewirken und der größtmöglichen Zahl von Menschen zu einem besseren Leben verhelfen?". Die Handlungen eines Menschen gelten als ethisch richtig, wenn sie das Wohlergehen aller Betroffenen maximiert. Auch der Effektive Altruismus stellt die Wirkungskraft des eigenen Handelns in den Vordergrund. Der Effektive Altruismus denkt global und fördert das Wohl aller empfindungsfähigen Wesen, dabei bezieht er auch den Tierschutz ein.

Wenn es um den Job mit Sinn geht, gibt es viele Möglichkeiten etwas Gutes für die Welt zu tun. Eine Arbeit, die sich direkt der Lösung von sozialen, ökonomischen oder ökologischen Problemen widmet, scheint die nahegelegenste Möglichkeit zu sein. Dies wären unter anderem Tätigkeiten in NGOs, der Forschung oder in Politik und Institutionen, in denen Entscheidungsprozesse zum Besseren mitgestaltet werden können. Doch die Arbeit sollte auch zur Persönlichkeit und den individuellen Fähigkeiten passen. Damit ist nicht jedem und jeder der Einstieg in den Non-Profit-Sektor gegeben. Der Effektive Altruismus rückt neben der ethischen Wirksamkeit einen anderen Aspekt der Arbeit in den Fokus – den Lohn. Auch mit dem Gehalt, das man für sein Schaffen bekommt, lässt sich das Leid auf der Welt mindern.

Für einen ethisch nutzbringenden Job ergeben sich damit gezielte Kriterien in der Berufswahl:

  1. Einkommen so hoch wie möglich
  2. Langfristige Motivation: der Beruf sollte zur Person passen
  3. Arbeitsumfeld: sehr gut, wenn auch Kolleg:innen motiviert werden können zu spenden
  4. Schadenspotenzial: der Beruf sollte keinen direkten Schaden in der Welt anrichten, andernfalls ist dieser mit dem positiven Effekt, der durch die Spenden erzielt wird, abzuwägen.

Die Idee des Effektiven Altruismus ist es, möglichst viel des eigenen Einkommens an gemeinnützige Organisationen und Projekte zu spenden, um wiederum einen größtmöglichen Nutzen für alle zu erzielen. Earning to give heißt so viel zu spenden, wie jede:r kann, um Leid und Tod zu verhindern und im Gegenzug "nichts vergleichbar Wichtiges" aufgeben zu müssen. Als einer der wichtigsten Vertreter gilt der australische Philosoph Peter Singer. In seinem Buch "Leben retten: Wie sich Armut abschaffen lässt – und warum wir es nicht tun (engl. The Life You Can Save)" schlägt er einen Spendensatz von mindestens 5 % des Einkommens vor.

In diesem Sinne engagieren sich auch der britische Philosoph William MacAskill, 28 Jahre jung und außerordentlicher Professor an der Oxford University und der australische Philosophen Toby Ord, Ethikforscher an der Oxford University. Zusammen mit Ords Ehefrau gründeten sie 2009 die Organisation Giving what we can. Die Mitglieder der Organisation geben das Versprechen ab, 10 % ihres Einkommens zu spenden. Natürlich an effiziente Wohltätigkeitsorganisationen, die ihre Gelder auch zum größten Nutzen einsetzen.

Helfen nicht nur Sache des Herzens, sondern auch Kopfarbeit

Die Entstehung des Effektiven Altruismus geht unter anderem auf die evidenzbasierte Entwicklungshilfe zurück. So untersucht bereits seit 2007 die Organisation GiveWell das Effective giving, Effektives Spenden.

Anhand von Big Data, experimenteller Feldforschung, naturwissenschaftlichen Kontrollverfahren und randomisierten kontrollierten Studien wird die Wirkungskraft von Spendengeldern untersucht. Ermittelt wird die Kosteneffektivität, in dem die verwendeten Ressourcen gegen den erzielten Erfolg von Organisationen und einzelnen Kampagnen abgewogen und anschließend bewertet werden. Kurz: Wie viel Leid wurde mit welcher Geldmenge vermieden? Der Blick richtet sich dabei auch auf den langfristigen Einfluss und ob auch negative Auswirkungen möglich sind. Daraus folgt eine ständige Kosten-Nutzen-Kalkulation (Re-evaluate, impact, re-evaluate).

  • Effective giving: Effektives Spenden
  • Impact: Wirkung, Einfluss
  • Input: Ressourceneinsatz
  • Output: Optimum
  • Re-evaluate: Neubewertung von Entscheidungen
  • Room for more funding: Raum für mehr Finanzierung

Die Stiftung für Effektiven Altruismus in Basel liefert auch ein Beispiel für den nachhaltigen Einsatz von Spendengeldern. Die Against Malaria Foundation (AMF) verteilt langlebige, insektizidimprägnierte Moskitonetze in den am stärksten von Malaria betroffenen Regionen. Besonders betroffen sind Länder in Afrika, Asien und Südamerika, wo jährlich laut Angaben des Robert Koch-Instituts schätzungsweise 200 Millionen Menschen an Malaria erkranken. Durch den Ausfall der erkrankten Menschen entstehen für die ohnehin schlechter gestellten Länder weitere wirtschaftliche Belastungen und teilweise enorme Armut in den Familien. Die Kosten pro Moskitonetz der AMF betragen etwa 4 Euro. Bereits mit geringen Spendenbeiträgen kann demnach vielen Menschen geholfen werden und die Produktionskraft der betroffenen Länder gestärkt werden.

Earning to Give: Geld wächst nicht auf Bäumen

Um möglichst vielen Menschen zu einer sozialwirksamen Karriere zu verhelfen, haben Benjamin Todd und MacAskill die Organisation 80.000 hours ins Leben gerufen. Zur Orientierung für Berufsein- und umsteiger:innen bietet sie einen Career-Guide an.

Doch muss der gute Job keine Zumutung sein. Damit würde man wiederum sich selbst schaden. Man soll mit der Tätigkeit zufrieden sein. Und dann ist man auch gut in seiner Arbeit. Aus den Forschungsergebnissen der positiven Psychologie zur Erfüllung in der Arbeit und Kenntnissen aus Forschung der Arbeitszufriedenheit wurden von 80.000 hours diese sechs Bestandteile eines Traumjobs zusammengestellt:

  1. Arbeit, die fesselnd ist (Positive Psychologie nennt dies den Flow): Sie ermöglicht Freiheit in der Gestaltung der Arbeit, gibt klare Aufgaben vor und bietet Vielfalt in den Aufgaben
  2. Arbeit, die anderen hilft: Auch muss Helfen nicht immer direkte Hilfe sein, wie Soziale Arbeit, medizinische Berufe oder Entwicklungshilfe. Auch Steuerberate:innen oder Versicherungsberater:innen helfen anderen
  3. Arbeit, in der man gut ist: Die eigenen Fähigkeiten einsetzen zu können, erfüllt einen und man leistet auch direkt gute Arbeit – Frage nach dem eigenen Potenzial
  4. Arbeit mit unterstützenden Kolleg:innen: Eine angenehme Atmosphäre, in der man sich wohlfühlt, austauschen kann und auch Feedback zur geleisteten Arbeit erfährt
  5. Abwesenheit von negativen Einflüssen: Langer Pendelweg, Unsicherheit im Arbeitsverhältnis, unangemessene Bezahlung, sehr lange Arbeitszeiten
  6. Arbeit, die sich mit dem Rest des eigenen Lebens vereinbaren lässt: Auch andere Bedürfnisse brauchen Luft zum Atmen.

Inzwischen ist die noch junge Idee des Effektiven Altruismus in England, Australien, Schweiz, Deutschland und den USA angekommen und wird von verschiedenen Stiftungen und Organisationen verbreitet. Auch viele Philosophen wie Peter Singer, Thomas Pogge, Peter Unger und Shally Kagan befassen sich mit dem Nützlichkeitsprinzip des weltweiten Wohls.

Mehr erfahrt ihr direkt bei der Stiftung für Effektiven Altruismus, u. a. aktiv in Berlin (D) und Basel (CH) und dem Centre for Effective Altruism, ansässig in Oxford (GBR).

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