Universität Bayreuth auf dem Weg zur Nachhaltigkeit: »Ich denke, unsere Ansätze lassen sich auf alle europäischen Hochschulen übertragen.«

Hochschulen nehmen als Zentren der Forschung und Bildung eine wichtige gesellschaftliche Vorbildfunktion ein. Die Universität Bayreuth hat mit ihren Nachhaltigskeitsstrategien bereits viele Akteure zusammen bringen und wichtige Schritte in Richtung nachhaltiger Hochschulentwicklung gehen können.
Foto: © Patrick Held
von Charlotte Clarke, 11. September 2016 um 06:03

Foto: © Patrick Held

Welche Ausgangslage hast Du zu Beginn Deiner Tätigkeit als Referent für Umweltstrategie an Deiner Hochschule vorgefunden? Wo waren bereits erste nachhaltige Ansätze zu finden und wo gab es zunächst Hürden zu überwinden?

Patrick Held: Nachhaltigkeit gab es bei uns leider nur als know-how  in einzelnen Studiengängen, bei ökologisch motivierten Studierenden und in unserem ökologisch-botanischem Garten. In weiten Teilen der Verwaltung und Studierendenschaft war Nachhaltigkeit kein Thema. Die größte Hürde war es, Menschen die Angst davor zu nehmen, dass die Veränderungen mit mehr Arbeit für Sie einhergehen würden.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Du Dich beim Anstoß einer Nachhaltigen Hochschulentwicklung stellen musst? Wer ist nachhaltigkeitsorientierten Veränderungsansätzen gegenüber aufgeschlossener - die Studierenden oder die Professoren?

Patrick: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn sowohl viele Studierende wie auch Professoren sind heute recht mutlos gegenüber greifbaren Veränderungen geworden, die auch ihren persönlichen Kontext betreffen. Wir sind bequem geworden. Wichtig als Akteur ist es, seine Zeit auf die Menschen zu verwenden, die proaktiv mitgestalten wollen und können. Zugleich muss man die Ängste und oft berechtigten Einwende aufgreifen, welche von Akteuren kommen, die man nicht umgehen kann (z.B. eine Rechtsabteilung, Haushaltabteilung, Technik etc.). Oft stellt sich heraus, dass vieles, was unmöglich schien, möglich werden kann, wenn man sich gelassen und konstruktiv an einen Tisch setzt und gemeinsame Wege entwickelt, die zum ursprünglichen Ziel führen. Natürlich hilft es dabei sehr, wenn man einen klaren Imperativ der Hochschulleitung im Rücken hat. Dann geht es nur noch um die Frage, wie man ans Ziel gelangt und nicht, ob man dort hingelangen muss.

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Welche Voraussetzungen muss eine Hochschule mitbringen, damit eine Nachhaltige Entwicklung gelingen kann?

Patrick: Sie muss offen sein, sich zu wandeln, Gegebenes in Frage stellen und sie braucht Studierende, die konstruktiv, proaktiv und kritisch einen Wandel gestalten wollen. Wenn man nicht über Disziplinen hinweg an Zielen arbeitet, die erstmal für den eigenen Studienerfolg nichts zu bringen scheinen, kann man nichts bewegen. Was man jedoch merkt – wenn man dies tut – ist, dass man mit diesem aktiven Ansatz deutlich mehr über sich, sein Studium und für das spätere Arbeitsleben lernt, als durch das reine Absolvieren von Tests. Wissen im Kontext einsetzen und sinnvolle Projekte zum Erfolg führen zu können, ist genau das, was Studierende und Hochschulstrukturen ausmachen, die den Wandel zur Nachhaltigkeit schaffen möchten.

Im Rahmen Deiner Strategie-Entwicklung hast Du zahlreiche Handlungsfelder und beteiligte Akteure identifizieren können. Welche davon sind Deiner Meinung nach besonders relevant?

Patrick: Natürlich sind für mich alle acht Handlungsfelder (HF) gleichermaßen wichtig, denn sie sind für sich eine Orientierung und Heuristik, um die große Herausforderung zur „Nachhaltigkeitswende“ in machbare Schritte zu untergliedern und Maßnahmen passend kommunizieren zu können. Mancher mag sich fragen »Wofür macht ihr den hier lauter Wildwiesen?«, »Na, für das Meta-Thema Biodiversität.«. Die Handlungsfelder sammeln die Ideen, so dass die Flut an Möglichkeiten händelbar wird und Prioritäten gesetzt werden können. Zugleich generieren die HF durch ihre Überschriften neue Ideen, denn wenn man weiß, wofür man etwas im Großen macht, fallen einem noch mehr Möglichkeiten im Kleinen zu einem Feld ein.

Wenn ich jedoch privat gefragt werde, sind für mich die Handlungsfelder "Emissionsmanagement & Ressourcenschonung" und "Share Economy & Technologietransfer" am spannendsten. Denn nur, wenn wir in Echtzeit anfangen, unsere individuellen Emissionen festzuhalten, so wie wir es auf ubt.changers.com in unserer CO2-Challenge  machen, wird uns deutlich, wo wir individuell besser werden müssen und auch können, um große Aufgaben wie die Klimakrise zu bewältigen. Nur wer weiß, wo er steht, kann einen neuen Kurs bestimmen. Zudem können Gamification und positive Anreize helfen, sich zu wandeln. Share Economy  finde ich wichtig, weil das Übertragen von Verfügungsrechten in Echtzeit wohl die größte massentaugliche Veränderung ist. Das Auto ist ein gutes Beispiel: 98% der Zeit ist es ungenutzt, meist zu groß oder zu klein für das, wofür es gebraucht wird. Egal wie wenig Sprit es verbraucht, bereits in der Erzeugung steckt mehr Energie als später in 20 Jahren regelmäßiger Nutzung. Würde man durch Car-Sharing oder autonome Taxen die Anzahl aller Autos halbieren, welche Lebenszeit und welchen Lebensraum würden wir für uns und die Natur wohl zurückgewinnen können?

Welche konkreten Maßnahmen konnten bereits umgesetzt werden? Welche sind noch für die Zukunft geplant?

Patrick: Wir haben nun eine gute Kommunikationsstruktur über die Green Campus Homepage und Facebook sowie über Green Campus StandbyBilder auf allen Beamern. Wir haben Car-Sharing in Kombination mit DB Flinkster und Meiaudo e.V. am Campus etabliert, Wildwiesen angelegt sowie die UBT CO2-Challenge mit Changers.com gestartet. Zudem sind wir die erste Fairtrade Universität in Bayern.

Foto: © Patrick Held

Welche Rolle spielt die Universitätsverwaltung bzw. der administrative Bereich bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen?

Patrick: Sie spielt eine zentrale Rolle, denn nur durch ihre Initiative und Artikulation bekommt das Thema Ressourcen, Relevanz und Legitimation. Kurz: der Green Campus Bayreuth wäre ohne unseren Universitätspräsidenten Prof. Leible und unseren Kanzler Herrn Dr. Zanner nicht denkbar gewesen. Aber sie brauchen Akteure, die sie mit konkreten Vorschlägen treiben und dann auch bereit sind, alles daran zu setzen, dass aus Ideen wirklich laufende Projekte werden. Hochschulleitungen können nur Imperative erteilen, dass man verändern darf – verändern muss man jedoch selbst und das gewissenhaft.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Dir aus?

Patrick: Jeder Tag ist anders. Wichtig ist nur, immer erreichbar zu sein und mit Menschen persönlich oder am Telefon zu sprechen bevor, man sich in langen E-Mails verstrickt.

Auf welchen gelungen Meilenstein Deiner Arbeit bist Du persönlich besonders stolz?

Held: Ich bin auf den Green Campus an sich stolz. Denn vor neun Monaten gab es weder Handlungsfelder noch öffentliche Auftritte oder konkrete Maßnahmen wie Lastenfahrräder oder Car-Sharing. Doch jede gute Idee braucht ein Dach und dieses Dach durfte ich bauen. Darauf bin ich sehr stolz.

Inwieweit sind aktuell zu beobachtende Trends, wie z.B. die Share Economy an Deiner Hochschule angekommen?

Patrick: Nun, bis eine Idee ankommt, dauert es, aber die Idee ist jedem präsent. Mein Facebook-Video auf unserer Green Campus Seite erreichte binnen Tagen 10.000 lokale Zuschauer. Ich hörte Studierende beim Mittagessen darüber sprechen. Es ist zum Thema geworden und was zum Thema wird, wird weitergedacht.

Ökologisch und sozial verantwortungsvollem Handeln geht oftmals eine Reflektion des eigenen Lebensstils und eine entsprechende Verhaltensanpassung voraus. Hast Du eine Strategie, wie Menschen am besten dazu motiviert werden können?

Patrick: Ja, sie ist simpel: Denjenigen, die reflektieren wollen, die Werkzeuge an die Hand geben, die es möglich machen, konsistent zu den eigenen Lebensvorstellungen zu leben. Diejenigen, die nicht reflektieren wollen, durch Veränderung der Grundstrukturen und Anreizsysteme auf nachhaltige Pfade leiten. Bei vielen Menschen kommt man mit Einsicht weiter. Am Ende braucht es für unbequeme Veränderungen – und alle Menschen fürchten Veränderung – klare Befugnisse, diese Veränderungen durchzuführen. Nachhaltigkeit ist nicht immer eine win-win-Situation und nicht immer kann man warten, bis alle verstanden haben, warum Nachhaltigkeit auch für ihr eigenes Leben oder das gesellschaftliche Leben notwendig ist.

Inwieweit lässt sich das Konzept auf andere Hochschulen übertragen? Gibt es Aspekte, die für die Universität Bayreuth oder Deine Region speziell sind?

Patrick: Ich denke, unsere Ansätze lassen sich auf alle europäischen Hochschulen übertragen. Natürlich muss die eine oder andere Idee anpasst werden: Bayreuth z.B. ist eine Campus-Uni und hat besonders viele Rasenflächen, die wir in Wildwiesen verwandeln können. Das sollte eine Uni mitten in einer Stadt aber nicht davon abhalten, Urban Garding auf den eigenen Dächern und Terrassen zu beginnen. Dafür müssen sich diese nicht um Car-Sharing  kümmern, da dies oft in der städtischen Struktur bereits vorhanden ist.

Foto: © Patrick Held

Besteht bereits ein Austausch oder ein Netzwerk mit anderen Universitäten zum Thema Nachhaltige Hochschulentwicklung? Siehst Du die Universität Bayreuth hinsichtlich dessen in einer Art Vorreiterstellung?

Patrick: Wir arbeiten eng mit Menschen vom Netzwerk N  und vom Netzwerk Nachhaltigkeit und Hochschule in Bayern zusammen. Für Bayern kann die Universität Bayreuth nach dem gemeinsamen Kraftakt der letzten neun Monate für sich in Anspruch nehmen, ein gutes Konzept entwickelt zu haben. Als Vorreiter sehen wir uns jedoch noch nicht. Wichtig ist uns vor allem, dass ein Thema ankommt und konkrete Maßnahmen zur Ressourceneinsparung getroffen werden, die nicht von Rebound-Effekten wieder verschluckt werden. Meine Erfahrungen mit diversen Netzwerken zum Thema Nachhaltigkeit ist, dass zu vieles auf einer abstrakten Meta-Ebene in Form von Begriffshüllen bleibt, anstatt konkrete Projekte mit Fleiß anzupacken. Das Netzwerk N sticht hier jedoch positiv mit konkreten Coachings zum Wandel vor Ort heraus. Allgemein gesprochen ändert für mich das Sein das Bewusstsein, daher muss eine Universität sichtbare Maßnahmen in den Alltag seiner Studierenden und Lehrenden integrieren, so dass für diese ein effizienter und kritischer Umgang mit verbrauchten Ressourcen selbstverständlich wird.

Was ist Dein Tipp für Studierende und Universitätsangestellte, um "im Kleinen" das eigene Umfeld ein wenig nachhaltiger zu gestalten?

Patrick: Um ehrlich zu sein, fehlt uns im Angesicht der notwendigen Reduktionen im Rahmen der Pariser Verträge die Zeit für Veränderung "im Kleinen". Es sei denn, diese Veränderungen haben einen greifbaren Effekt und lassen sich leicht übertragen. Die meisten Emissionen werden jedoch dadurch gespart, dass sie von Vorneherein vermieden werden. Ein großer Schritt wäre es, wenn Menschen sich Mühe geben würden, sich privat und dienstlich konsistent zu ihrem Wissen über den Klimawandel zu verhalten, indem sie z.B. den Konsum tierischer Produkte oder die Nutzung von Flugzeugen reduzieren. Wenn Menschen aufhörten, den Zusammenhang zwischen ihren jährlichen Weltreisen und den immer extremeren Wetterphänomenen völlig ausblenden, wäre das ein großer Schritt »im Kleinen« für mehr Umweltbewusstsein.


Mehr Infos zu den Aktionen und Projekten des Green Campus der Universität Bayreuth sind unter diesem Link sowie auf Facebook zu finden.

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