Crowdfunding-Kampagne für 50 Millionen Euro: Münchener E-Auto-Startup »Sono Motors« lehnt Deal mit Finanzinvestoren ab

Das Elektroauto »Sion« ist eines der bislang ungewöhnlichsten und gewagtesten Elektroauto-Projekte Deutschlands. »Sono Motors« macht so ziemlich alles anders als die großen Automobilhersteller, sowohl bei der Entwicklung und Produktion als auch der Finanzierung. Statt sich in die Abhängigkeit von Großinvestor*innen zu begeben, wollen die jungen Gründer ihren Überzeugungen treu bleiben und starten eine gigantische Community Funding-Kampagne. Das Ziel: 50 Millionen in 30 Tagen. Wie »Sono Motors« künftig die Autobranche kräftig aufmischen will, erzählt uns Co-Founder Laurin Hahn im Interview.
Foto: © Sono Motors
von Charlotte Clarke, 23. Dezember 2019 um 13:01

Mit eurem Elektroauto »Sion« wollt ihr im Bereich der Elektromobilität völlig neue Wege gehen. Was unterscheidet den »Sion« von den E-Autos der großen Automobilhersteller?

Laurin Hahn: Der »Sion« ist deutlich mehr als nur ein Elektroauto. Unser Anspruch ist es, ein innovatives und alltagstaugliches Fahrzeug zu bauen, das die drei großen Vorbehalte der Verbraucher*innen gegenüber der Elektromobilität adressiert: Die zu geringe Reichweite, die immer noch unzureichende Ladeinfrastruktur und der zu hohe Preis. Wir integrieren Solarzellen direkt in die Karosserie des »Sion« und erreichen so mehr Autarkie auf kurzen Strecken. Bis zu 34 Kilometer pro Tag können durch emissionsfreie Solarenergie zurückgelegt werden. Der »Sion« kommt zusätzlich mit innovativen Mobilitätsdienstleistungen und der Möglichkeit, den produzierten Strom mit anderen zu teilen. All das für nur 25.500 Euro.

Neben der Herstellung eures Elektro-Pkw plant ihr auch die Entwicklung innovativer Dienstleistungen - quasi einen »Mobilitäts-Allround-Service«. Was konkret sollen diese Angebote umfassen?

Laurin: Die Mobilität der Zukunft muss aus unserer Sicht nicht nur elektrisch, sondern auch geteilt sein. Der »Sion« ist deshalb ab Werk mit drei Sharing-Optionen ausgestattet, die es erlauben, das Auto, Fahrten und sogar Strom mit anderen zu teilen. Unser Ziel ist es, das Elektroauto so effizient zu denken, dass wir langfristig sogar Fahrzeuge auf unseren Straßen reduzieren könnten. Die Besitzerin oder der Besitzer eines »Sion« kann durch die Nutzung der Sharing-Services die eigenen Kosten reduzieren und hilft gleichzeitig der Umwelt. Für den unkomplizierten Zugriff auf diese integrierten Mobilitätsservices entwickeln wir deshalb die »goSono«-App, die alle drei Sharing Angebote des »Sion« vereint: »powerSharing«, »rideSharing« und »carSharing«.

Foto: © Sono Motors

Ihr habt euch für die Umsetzung der Serienproduktion des »Sion« bewusst gegen eine klassische Finanzierung durch private Investor*innen entschieden, da dies für euch nicht mit der Art vereinbar ist, wie ihr euer Unternehmen aufbauen und führen wollt. An welchen Stellen habt ihr konkret Widersprüche zwischen euren Werten und den Anforderungen der Investor*innen empfunden?

Laurin: Wir wussten: Die Sicherstellung der finanziellen Grundlage ist für ein nachhaltiges, verantwortungsvoll und sozial handelndes Startup wie uns immer auch eine Herausforderung. Ein Auto mit neuen Technologien zu entwickeln, erfordert hohe Investitionen. Wir sind also zunächst die üblichen Wege gegangen, um uns zu finanzieren. Im Laufe vieler Verhandlungen mit internationalen Investor*innen haben wir aber immer wieder feststellen müssen, dass sich die Erwartungen der klassischen Finanzwelt nur sehr schwer mit unseren Zielen und Werten vereinbaren lassen. In den jüngsten Verhandlungen kam es dann zu dem entscheidenden Schlüsselmoment. Uns wurde bewusst, dass wir die Verhandlungen in dieser Form nicht weiterführen können, ohne den Verlust unserer Technologien in Kauf nehmen zu müssen. Das hätte das Aus für den »Sion« bedeutet. Wir haben uns ganz bewusst gegen den Ausverkauf von Sono Motors entschieden. Wir wollen weiterführen, wofür wir angetreten sind, gemeinsam mit den Menschen, die an dieses Projekt glauben.

Um den »Sion« doch auf die Straße bringen zu können, habt ihr euch für eine recht ungewöhnliche Crowdfunding-Kampagne entschieden: Innerhalb von 30 Tagen (bis zum 30. Dezember 2019) wollt ihr stolze 50 Millionen Euro zusammen bekommen. Das ist eine enorme Summe. Welche Strategie habt ihr, um euer Finanzierungsziel zu erreichen?

Laurin: Ja, wir haben uns ein ambitioniertes Ziel gesetzt und die Unterstützung durch unsere Community nehmen wir nicht als Selbstverständlichkeit. Deshalb begegnen wir unseren Unterstützer*innen mit Transparenz und Offenheit, auch als Dank für ihr Vertrauen. Wir sind der Meinung, dass die Menschen, die in uns investieren und damit enormes Vertrauen beweisen, radikale Transparenz verdient haben. Deshalb legen wir nicht nur unsere Finanzierungsstrategie transparent dar, sondern auch unseren Entwicklungsstand.

2016 habt ihr bereits schon einmal eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich durchgeführt. Damals ging es um 800.000 Euro für die Finanzierung eines Prototypen. Welche Erfahrungen habt ihr im Laufe der Kampagne gemacht und was habt ihr daraus für eure aktuelle Kampagne gelernt?

Laurin: Mit unserer aktuellen Kampagne gehen wir an unsere Wurzeln zurück. Zu unserer Community. Ohne die Unterstützung der Menschen, die schon zu Beginn an uns geglaubt haben, gäbe es uns in unserer heutigen Form nicht. Schon unser erstes Crowdfunding hat uns gezeigt, dass es den Wunsch gibt, eine Veränderung zu bewirken. Die enorm positive Resonanz seit dem aktuellen Kampagnenstart zeigt uns, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. In den ersten zwei Wochen sind bereits mehr als 14 Millionen Euro in die Kampagne geflossen. In der ersten Woche der Kampagne haben wir auf einer Tour durch insgesamt sechs deutsche Städte unsere Reservierer*innen und Unterstützer*innen getroffen, um persönlich miteinander zu sprechen und alle drängenden Fragen im Gespräch zu beantworten. Seitdem erreichen uns täglich hunderte E-Mails mit Ideen, Zuspruch und Feedback zur Kampagne. Ein starkes Signal pro »Sion« und für unser klimafreundliches Mobilitätskonzept.

Wie ist die Idee zur Gründung von Sono Motors entstanden und wie habt ihr euch als Gründungsteam zusammen gefunden? 

Laurin: In einem Telefonat sprachen Jona und ich über die Verschwendung von Erdöl. Kaum eine Ressource polarisiert mehr als Erdöl. Immer noch werden 61 Prozent des gesamten Erdöls für unsere Mobilität verbrannt - obwohl es bereits deutlich klima- und ressourcenschonendere Alternativen gibt. Für uns war dann schnell klar, dass wir es selbst in die Hand nehmen müssen, wenn wir eine Veränderung zum Besseren sehen wollen.

Foto: © Sono Motors

Zu guter Letzt: Welchen Ratschlag würdet ihr anderen Gründer*innen, die ihr Geschäftsmodell im Sinne der Nachhaltigkeit aufbauen möchten, mit auf den Weg geben?

Laurin: Vor allem in der Anfangsphase sind gute Sparringspartner*innen unverzichtbar. Die Ideen hinterfragen zu lassen, Gegenargumente und Bedenken zuzulassen, ist genauso wichtig wie ein Selbstvertrauen und ein klares Ziel. Einfach ist es nicht, neue Wege zu gehen und eingetretene Pfade zu verlassen, aber für uns alternativlos. In Situationen wie unserer aktuellen, merken wir das deutlicher denn je.

Neugierig geworden? Hier geht es lang zur Website von Sono Motors. Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis zum 31.12.2019.

Ein weiteres spannendes Mobilitäts-Startup ist goFLUX: Mit einem neuen digitalen Konzept sollen Fahrgemeinschaften für Kurzstrecken zum Alltag werden. Wir haben die Gründer*innen interviewt. Erfahre mehr!

 

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