Nischenleben nachhaltiger Bankgeschäfte: Wie verbinden sich Banking und Nachhaltigkeit?

Social Banking will neue Wege für alternative Finanzsysteme ebnen. Dabei orientieren sich Banken nicht nur an ihrem eigenen Gewinn, sondern auch an ökologischen und sozialen Wertmaßstäben, um zukunftsfähige Entwicklungen zu fördern. Doch wie können Finanzen als Werkzeug für soziale Nutzen und Umweltveränderungen verwendet werden? Im Interview gibt uns Frau Käufer einen Einblick in das sozial-ökologische Bankwesen.
von Regina Rohland, 20. April 2016 um 15:20

Dr. Katrin Käufer ist Gründungsmitglied und Forschungsdirektorin des "Presencing Institute in Cambridge" und Senior Research Fellow am "Community Innovators Lab" (CoLab) des Instituts für Urbane Studien und Planung des MITs. Von dort aus wird auch der kostenlose Online-Kurs "Just Money: Banking as if society mattered" betreut, der die Grundprinzipien von Social Banking, oder auch Just Banking, vermittelt. Begleitend zum Lernangebot entsteht eine Verbindung mit einer globalen Gemeinschaft von Lernenden und Change-Makern.

Wie sind nachhaltige Werte in das Wesen des Social Bankings integriert? Was sind die wichtigsten Strategien diesbezüglich im Social Banking?

Katrin Käufer: Die erste Frage ist, was ist eigentlich Social Banking? Für Banken, die entlang der triple-bottom-line (Anm. Redaktion: Triple Bottom Line beziffert nicht nur den reinen Profit eines Unternehmens, sondern auch den ökologischen und sozialen Mehrwert den es schafft) operieren, gibt es viele unterschiedliche Namen: Social Banking, values-based Banking, Just Banking... Aber die eigentlich interessante Frage ist, was heißt das praktisch? Wie verbinden sich Banking und Nachhaltigkeit?

Wir unterscheiden vier Formen oder vier Ebenen von dem, was wir "Just Banking" nennen:

  1. Ebene – isolierte Geschäftspraktiken: Hier führen Banken, oft in der Corporate Social Responsibility Abteilung, einige Projekte oder Initiativen durch, die auf positive soziale Effekte zielen. Dies sind vereinzelte Projekte, die vom Unternehmen vermarktet werden, aber nicht das Kerngeschäft betreffen.
  2. Ebene – systemische Geschäftspraktiken: Ab dieser Ebene sprechen wir von social oder just banking, da diese sozialen oder ökologischen Geschäftspraktiken jetzt das Kerngeschäft der Bank ausmachen.
  3. Ebene – strategische Ökosystem Innovation: Hier geht es nicht nur darum, dass diese Praktiken das Kerngeschäft bilden, sondern das Ziel der Banken ist es, Innovationen oder Hebelpunkte in dem System zu identifizieren und diese dann gezielt zu finanzieren. Z.B., eine ökologisch-orientierte Bank hat das Ziel, erneuerbare Energien zu fördern. Anstatt einfach zu sagen, 100% unseres Portfolios investieren wir in erneuerbare Energien (das wäre die 2. Ebene), sucht diese Bank jetzt nach Investitionsmöglichkeiten, die systemrelevant sind, also nach Techniken oder unternehmerischen Ideen, die das Potential haben, den Sektor nachhaltig zu verändern.
  4. Ebene – Intentionale Ökosystem Innovation: Hier tritt die Bank einen Schritt zurück und analysiert das Gesamtsystem. Es geht nicht nur darum, bereits existierende Akteure z.B. Unternehmer etc. zu identifizieren, sondern darum die Frage zu stellen, was fehlt um das Gesamtsystem zu verändern. Damit steht eine Analyse des Sektors als Ausgangspunkt dieser Investitionsentscheidung. Was ist das Potential? Wo gibt es Innovatoren, die an dieser Technik arbeiten? Ist es notwendig, verschiedene Akteure in einen Raum zu bekommen, um das Gesamtsystem zu verändern?

Diese vier Strategien erfordern unterschiedliche Kapazitäten und unterschiedliches Know-how in den Banken.

Es gibt bereits in Deutschland Banken, die eine nachhaltig wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung im Finanzwesen fördern wollen. Welche Banken sind das und bestehen Kooperationen zur Förderung des Social Bankings?

Käufer: Die Idee, dass soziale und ökologische Ziele das Kerngeschäft einer Bank sind, ist alt. Insbesondere in Deutschland ist historisch ein wichtiger Teil der Bankenlandschaft mit sozialen Zielen gegründet worden: Raiffeisen und Genossenschaftsbanken entstanden aus der Idee der Selbsthilfe. Sparkassen, wurden mit dem Ziel gegründet, armen Bevölkerungsschichten eine sichere Geldaufbewahrung und damit die Möglichkeit des Sparens zu geben. Aber selbst Banken wie Bank of America wurden aus einem ähnlichen Impuls heraus gegründet, nämlich italienischen Einwanderern in den USA, die von existierenden Banken ausgeschlossen waren, als Bank zu dienen.

Eine Eigenschaft des Finanzgeschäfts ist es jedoch, Prozesse zu standardisieren und damit den Bezug zum lokalen Kontext und der Gründungsidee zu verlieren. Das Ergebnis ist, dass auch Banken, die mit dem Ziel gegründet wurden, positive soziale oder ökologische Ergebnisse zu erzielen, diesen Bezug mit der Zeit verlieren. Es bedarf, was wir Verankerungspunkte nennen, um als Bank mit diesen sozialen und ökologischen Zielen langfristig zu arbeiten. Beispiel für diese Verankerungspunkte sind: Ownership Structure, Leadership, Culture, Processes & Structure und Accountability.

Ein Beispiel in Deutschland für eine Bank, die erfolgreich das Bankgeschäft in den Dienst sozialer und ökologischer Ziele stellt, ist die GLS Bank, die sämtliche ihrer Geschäftskredite veröffentlicht und damit eine Transparenz zwischen der Einlagenseite und der Kreditseite herstellt. Die GLS Bank ist auch Teil eines globalen Netzwerkes von Values-based Banks, der "Global Alliance for Banking on Values" (GABV), einer Gruppe von heute 28 Banken weltweit, die sämtlich mit diesen Ideen als Geschäftsmodell operieren.

Welche Rolle spielt die GABV im Wandel der bestehenden Finanzsysteme? Welchen Einfluss kann die GABV auf die Regulierung von Banken nehmen?

Käufer: Eines der Ziele der GABV ist es, eine Bewegung sozialer und ökologischer Bank zu initiieren und zu fördern. Was wir in der 2007/8 Finanzkrise gesehen haben, ist, dass diese Banken ein alternatives Modell vorleben und damit in der öffentlichen Diskussion ein deutliches Beispiel gesetzt haben, dass es auch eine andere Form von Bankwesen gibt.

Aber diese Banken sind kleine Akteure im Finanzsektor und ihre politische Macht ist limitiert.

Nachhaltige Bankgeschäfte fristen leider immer noch ein Nischendasein. Welche Hindernisse sehen Sie in der Entwicklung nachhaltiger Bankgeschäfte?

Käufer: Banken unterscheiden sich von sämtlichen anderen Unternehmen in unserer Ökonomie darin, dass sie mit einem rechtlichen Konstrukt handeln, Geld. Der Wert von Geld bestimmt sich durch unser Vertrauen in das Geld und damit durch das Potential unsere Wirtschaft und der Funktionsfähigkeit unseres politischen Systems. Im Ergebnis operieren Banken an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Politik. Insbesondere hier in den USA sehen wir, was das praktisch heißt. In der letzten US Wahlperiode haben Banken über US-$ 1,2 Milliarden in Lobbying und politische Kampagnen investiert.

Das ist das größte Hindernis in der Entwicklung nachhaltiger Bankgeschäfte. Es gibt noch weitere strukturelle Probleme, aber solange Politik und Banken miteinander verwoben sind, sehe ich nicht, wie sich das Bankwesen verändert. Wer einen Einblick in diese Frage will, dem empfehle ich das Buch von Simon Johnson, Professor hier am MIT in Cambridge und früherer Chief Economist am IMF in Washington. Der Titel seines Buches lautet: 13 Banker - The Wall Street Takeover and the Next Financial Meltdown.

MOOC "Just Money: Banking as if society mattered" - Ein Einblick ins Social Banking

Ist ein fünfwöchiger, englischsprachiger Lehrgang des Massachusetts Institute of Technologie (MIT) und der Harvard University. Das Ziel des MOOC "Just Money: Banking as if society mattered" ist der Wissensaustausch und die Netzwerkbildung innerhalb der wertebasierten Bankengemeinschaft, sowie Informationen über wertorientierte Finanzmodelle an Organisationen, Einzelpersonen und Gemeinschaften auf der ganzen Welt weiterzugeben.

Dieser Kurs befasst sich mit Banken, die Kapital und Finanzen als Werkzeug nutzen, den sozialen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen.

Keine Vorkenntnisse zum Finanzwesen erforderlich!

Welche Einblicke in die bestehende Finanzwelt und das Wesen des Social Bankings erwarten die Teilnehmer im MOOC "Just Money: Banking as if society mattered"? Für wen ist der Online-Lehrgang besonders interessant?

Käufer: MIT und Harvard haben hier eine Kursplattform geschaffen, auf der eine große Anzahl der Kurse, die in den 39 teilnehmenden Universitäten angeboten werden, frei zugänglich sind. Diese Kurse heißen MOOCs, Massive Open Online Courses. Jeder kann teilnehmen. Online-Kurse unterscheiden sich von dem, was wir in der Schule oft als Unterrichtsform kennengelernt haben. Anstatt das Unterrichtsmaterial von A bis Z über uns ergehen zu lassen, können sich Teilnehmer*innen von ihrem Interesse leiten lassen. Jede Woche werden ungefähr 60-90 Minuten Videomaterial freigeschaltet, das Teilnehmer*innen entlang des eigenen Interesses verfolgen können. So ist der Kurs für Teilnehmer*innen gestaltet, die neu in dem Thema sind, als auch für Teilnehmer*innen, die in Banken arbeiten, ob es jetzt soziale oder konventionelle Banken sind.

Wie ist der MOOC organisiert und welche Möglichkeiten zum Austausch und der Vernetzung bietet er den Teilnehmern?

Käufer: Dieser MOOC ist eine Kollaboration zwischen MIT und dem Presencing Institute. Wir haben verschiedene Techniken entwickelt, die es Teilnehmer*innen erlauben, nicht nur allein vor dem Bildschirm den Kurs zu verfolgen, sondern sich mit anderen Teilnehmer*innen auszutauschen. Wir organisieren verschiedene Varianten hier, von HUBS, in denen sich Teilnehmer*innen treffen und den Kurs gemeinsam besprechen oder Coaching Groups, in denen sich Teilnehmer*innen in Telefon- oder Videokonferenzen treffen. Wir organisieren nicht nur diese Verbindungen, sondern bieten auch Anleitungen an, die in diesen Gesprächen hilfreich sind.

Der Kurs bietet auch zwei Live-Sessions an, die dann auf dem Bildschirm verfolgt werden können und verschiedene Interaktionen mit und zwischen Teilnehmer*innen ermöglichen.

Was können die Teilnehmer der unterschiedlichen Sektoren Ihrer Meinung nach aus dem Lehrgang mitnehmen?

Käufer: Jede Woche des MOOCs behandelt einen Fokus, z.B. wie funktionieren Banken und was ist Just Banking? Was ist Geld, was sind Schulden und was ist die Zukunft der Banken. Diese Fragen werden dann auf verschiedene Weise angegangen: 1) Mitarbeiter*innen aus sozialen und ökologischen Banken aus der ganzen Welt kommen zu Wort, 2) Wissenschaftler*innen insbesondere hier am MIT diskutieren diese Fragen und 3) es gibt die Möglichkeit mit Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt sich zu diesen Fragen auszutauschen. Teilnehmer*innen erleben, wie Just Banken arbeiten und welche Instrumente sie entwickeln.

Welche Perspektiven bietet die Teilnahme an dem Online-Lehrgang "Just Money: Banking as if society mattered" für den eigenen Beruf im Bankenwesen?

Käufer: Wir erleben oft, dass es für Banker besonders spannend ist, sich mit anderen Bankern aus der ganzen Welt auszutauschen und Beispiele zu sehen, wie Banken in einer anderen Ecke der Welt die Idee umsetzen, als Bank die Ziele der Profitabilität, Nachhaltigkeit und der positiven sozialen Veränderung miteinander zu verbinden.

Vielen Dank nach Boston für das Interview!

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