Tarifaufpasser SwitchUp schützt vor unfairen Strom- und Gasverträgen: »Viele Anbieter glauben noch immer, dass es ok ist, ihre treuen Kund*innen zu bestrafen.«

Eine freundschaftliche, faire Beziehung zu den Kund*innen und eine Teamstruktur ohne Hierarchien - das Berliner StartUp SwitchUp geht mit seinem Konzept als »Tarifaufpasser« in mehrfacher Hinsicht neue Wege. Ihre Mission: Die fragwürdigen Geschäftspraktiken des Energiemarktes völlig umkrempeln. Mehr dazu im Interview mit Christoph Diekmann von SwitchUp.
Foto: © SwitchUp
von Charlotte Clarke, 19. Juni 2019 um 06:03

SwitchUp möchte seinen Kund*innen einen fairen Preisvergleich bei Strom- und Gastarifen bieten. Was unterscheidet euer Geschäftsmodell von anderen Vergleichsportalen? 

Christoph Diekmann: Allen voran begreifen wir uns nicht als Vergleichsportal. Bei uns geht es nicht um einen bloßen Preisvergleich. Vielmehr möchten wir als sogenannter ​»Tarifaufpasser«​ zu einem Umdenken auf Seiten der Anbieter anregen. Schließlich denken viele Anbieter immer noch, dass es ok ist, ihren treuen Kund*innen deutlich mehr zu berechnen als Kund*innen, die sich neu beim Anbieter anmelden. Dass wir nicht akzeptieren möchten, als treue*r Kund*in faktisch bestraft zu werden, war auch der Grund, dass wir SwitchUp ins Leben gerufen haben. Übrigens kommt keiner von uns aus dem Energiemarkt. Arik, unser Gründer, hat zuvor den Hörbuch-Downloadanbieter Audible.de in Deutschland gestartet.

In eurer Unternehmensphilosophie formuliert ihr, dass die Beziehung zu euren Kund*innen auf Transparenz und einen menschlichen Umgang aufgebaut werden soll. Wie genau spiegelt sich dies auf Ebene der praktischen Geschäftstätigkeit wider?

Christoph: Berechtigte Frage! Offen gesagt ist das für uns auch ein Findungsprozess. Wir sind mit einer simplen Frage gestartet: Wie würde ein guter Freund, der sich in diesen Themen gut auskennt, für mich auf meine Tarife aufpassen? Mit all unseren Aktivitäten unternehmen wir den Versuch, diese Frage in die Realität umzusetzen. Deswegen sprechen wir häufig vom »Freundschaftsprinzip«. Wir sind uns natürlich bewusst, dass wir nicht ein Freund jedes Menschen werden können, der unseren Service nutzt. Wir sind jedoch der Meinung, dass die gleichen Prinzipien wie in einer Freundschaft auch der Beziehung mit unseren Nutzer*innen zugrunde liegen können.

Ganz praktisch treffen wir auf Basis ​dieser Philosophie​ zahlreiche Entscheidungen, die zu Gunsten unserer Nutzer*innen gestaltet sind, mitunter auch auf unsere Kosten. Zum Beispiel weiß unser Tarif-Empfehlungsalgorithmus nicht, was wir im Wechselfall verdienen und schlägt bewusst auch Strom- und Gastarife vor, bei denen wir nichts verdienen. Wir setzen auf eine ehrliche, langfristige Beziehung zu den Menschen, die sich für unseren Tarifaufpasser-Service entscheiden und möchten uns auf diese Weise deren Vertrauen verdienen.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Anbieter aus, die den Kund*innen vorgeschlagen werden?

Christoph: Unser Tarif-Empfehlungsalgorithmus betrachtet bei der Erstellung der individuellen Tarifempfehlungen die ​hier aufgeführten 30 Tarif- und Anbietermerkmale​, ebenso wie die individuellen Präferenzen, die uns von den jeweiligen Nutzer*innen mitgeteilt werden. Wenn uns jemand mitteilt, dass bei der Tarifempfehlung nur Ökostrom, vor allem von sehr nachhaltig agierenden Anbietern, berücksichtigt werden soll, werden diese Aspekte bei dem Vorschlag entsprechend hochgewichtet.

Euer Geschäftsmodell baut auf das Vertrauen der Kund*innen auf. Doch wie habt ihr es als junges, noch unbekanntes Startup geschafft, dieses Vertrauen zu gewinnen?

Christoph: Das ist eine sehr gute Frage. Für uns war dies gerade zu Beginn eine harte Nuss, bei der wir uns fast die Zähne ausgebissen hätten. Selbst im Freundeskreis bestand zu Beginn viel Skepsis, uns die Verantwortung zu übergeben, auf den eigenen Strom- und Gastarif aufzupassen. Kann und möchte ich dabei einem jungen Startup wie SwitchUp vertrauen? Um dieser berechtigten Skepsis zu begegnen, haben wir uns sehr ins Zeug gelegt, damit unsere Philosophie auch im Umgang mit unseren Nutzer*innen spürbar wird. Wir haben uns daher über jede Kundenbewertung, die unsere Leistung honoriert hat, unglaublich gefreut. Auf Basis der inzwischen ​vielen tausenden Kundenbewertungen​ auf diversen Portalen können interessierte Personen relativ gut ablesen, dass wir nicht einfach nur versuchen, die Erwartung unserer Nutzer*innen zu treffen, sondern uns bemühen, diese konsequent durch positive Überraschungen zu übertreffen. Ebenso hat uns auch geholfen, dass wir mit einem etablierten Partner wie der ARAG Rechtsschutzversicherung den ersten Wechselschutz erfunden haben. Auf diese Weise möchten wir nicht nur behaupten, dass ein Anbieterwechsel sicher ist, sondern dies garantieren. Dies Kosten dafür investieren wir bewusst aus unseren Erlösen. Auch das ist Teil unseres Freundschaftsprinzips und der besagten langfristigen Beziehung, die wir eingehen möchten.

Aktuell erleben wir einen regelrechten Nachfrage-Boom, der vor allem auf dem ​Langzeit-Test der Tarifaufpasser​ durch Stiftung Warentest beruht.

SwitchUp soll intern ohne Hierarchien organisiert werden. Das ist eine sehr unkonventionelle Art, ein Unternehmen zu strukturieren. Wie funktioniert die Verteilung von Verantwortung und auf welche Weise fällt ihr wichtige interne Entscheidungen?

Christoph: Auch dies ist eines der vielen Experimente, die wir vornehmen. Konkret beschäftigen wir uns viel mit der Frage, wie man sich als Team selbst organisiert. Im Service-Team sind wir mittlerweile mehr als 20 Kolleg*innen. Und es gibt niemanden, der das Team leitet. Stattdessen haben wir Fokus-Teams innerhalb des Teams geschaffen, die sich bestimmten Themen annehmen und selbst passende Herangehensweisen entwickeln, um die jeweiligen Herausforderungen zu meistern. Damit wir uns nicht verzetteln, denken wir bewusst in kritischen Engpässen, d.h. wir fragen uns: Was ist gerade am Wichtigsten, damit wir als Team den nächsten Schritt vollziehen können? Und dann versuchen wir unsere gebündelte Energie auf diesen Engpass zu lenken.

Welche Herausforderungen bringt eine Unternehmensstruktur ohne Hierarchien mit sich?

Christoph: Vor allem erfordert es viel Reflektionsvermögen von allen Kolleg*innen im Team. Schließlich gilt es konstant zu hinterfragen, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Dazu muss ich mir zunächst einmal bewusst machen, was ich konkret in meinem Verantwortungsbereich bewegen möchte. Sobald das Ziel definiert ist, stellt sich die Frage, wie ich ein möglichst einfach gestaltetes Experiment aufsetzen kann, damit ich zeitnah überprüfen kann, ob die von mir gemachten Annahmen zum Lösungsweg auch zutreffen. Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse kann Jede*r dann stetig Kurskorrekturen vornehmen und sich schrittweise dem Ziel nähern. Dass dabei viele Dinge nicht wie erwartet funktionieren, ist selbstverständlicher Bestandteil dieses Vorgehens.

Solch ein Vorgehen ist sehr anspruchsvoll und erfordert vor allem viel Lust am Lernen. Und die Bereitschaft, sich auf Experimente und neue Vorgehensweisen einzulassen und ebenso gelernte Muster über Bord zu werfen. Wem dies nicht liegt, für den ist eine Organisation wie unsere vermutlich auch nicht das Richtige. Wer dies jedoch als spannend empfindet und sich mit viel Energie und Leidenschaft darauf einlässt, der wird in einer Organisation wie unserer eine rasante persönliche Entwicklung erleben.

Euer Gründer, Arik Meyer, bringt bereits einiges an Entrepreneurship-Erfahrungen mit. 2004 gründete er das erfolgreiche Hörbuch-Portal »Audible«, welches vier Jahre später an Amazon verkauft wurde. Gibt es Dinge, die bei diesem neuen Gründungsprojekt bewusst anders gemacht wurden als beim Aufbau von Audible?

Christoph: Die Parallele zu Audible ist, dass wir auch mit SwitchUp eine langfristige Beziehung zu den Menschen anstreben, für die wir unseren Service erbringen. Das war es schon damals, was Arik angespornt hat. Das, was Arik bei SwitchUp jedoch bewusst anders gestaltet, ist die Herangehensweise. Zu Audible-Zeiten war er stärker im Denken traditioneller Organisationsformen verhaftet. Während seiner 3-jährigen Auszeit nach Audible hat er sich viel mit Themen wie Meditation und Achtsamkeit beschäftigt. Dabei hat er sich u.a. auch viel mit dem Thema beschäftigt, was uns als Menschen antreibt. Wie Daniel Pink in seiner  Rede ​»What-Motivates-Us« darlegt, führen Dinge wie hohe Bonuszahlungen in den wenigsten Fällen zum Ziel. Vielleicht resultiert daher auch Ariks derzeitiger Glaube, dass ein selbstorganisiertes Team, für das ein klarer Sinn im Mittelpunkt steht, für alle Beteiligten das deutlich nachhaltigere Modell ist. Daher denken wir, wie von Simon Sinek dargelegt, vor allem viel darüber nach, ​wie wir agieren und warum es uns gibt. Bei der Warum-Frage geht es bei uns vor allem um die Tatsache, dass viele Anbieter noch immer glauben, dass es ok ist, ihre treuen Kund*innen zu bestrafen und diesen deutlich mehr zu berechnen. Wir setzen uns mit unserem Tarifaufpasser für ein Umdenken und einen fairen Marktansatz ein.

Glaubt ihr, dass SwitchUp langfristig durch die Schaffung von Transparenz dazu beitragen kann, dass Strom- und Gasanbieter ihre Verträge von Vornherein kundenfreundlicher gestalten? 

Christoph: Ja, absolut! Wir setzen jetzt schon deutliche Signale und sind überzeugt, eine Katalysatorwirkung in Richtung einer »Marktgesundung« bewirken zu können. Wie bei jeder anderen Bewegung auch, braucht es Durchhaltevermögen und eine ausreichende Anzahl an Menschen, die nicht länger hinnehmen, dass sie unfair behandelt werden. Sobald es uns gelingt, eine kritische Zahl an Menschen als »Fairbündete« zu vereinen, wird auch ein Umdenken auf Anbieterseite folgen.

Welche Einstiegsmöglichkeiten gibt es bei SwitchUp für neue Mitarbeiter*innen? Welche fachlichen und persönlichen Qualifikationen sollte ich für eine Bewerbung bei euch mitbringen? 

Christoph: Wir denken vornehmlich in Rollen und nicht in klassischen Funktionsbereichen. Unser Ziel ist, dass Jede und Jeder - gemäß der eigenen Fähigkeiten sowie unserer Engpässe - unterschiedliche Rollen in einem breiten Themenspektrum übernehmen kann. Christoph, der sich bei uns aktuell stark in seiner primären Rolle im Recruiting engagiert, war beispielsweise bereits parallel in weiteren Rollen im Kundenservice sowie im Reporting aktiv.

Was die Fähigkeiten betrifft, geht es vor allem um das passende Mindest sowie eine Reihe von Meta-Fähigkeiten: Reflektionsfähigkeit, Initiative, Durchhaltevermögen oder Positivität. In der Folge finden sich bei uns unterschiedlichste Charaktere im Team: Vom Koch, der 10 Jahre in der gehobenen Küche gearbeitet hat, über einen Licht-Dirigenten im Theater und eine ehemalige Journalistin bis hin zum angehenden Lehrer.

Aus diesem Grund sprechen wir in unseren Stellenanzeigen von »Fairänderern«, die wir suchen, da es uns nicht um eng definierte Stellen geht, die wir besetzen möchten, sondern um spannende Menschen, die unserem Team in wichtigen Themen Schub verleihen. 

Was sind eure nächsten Schritte? In welche Richtung möchtet ihr SwitchUp künftig weiterentwickeln?

Christoph: Für uns geht es vor allem um die Frage, wie wir uns als Team weiterentwickeln, um auf der Basis zahlreiche ​schief-hängende Märkte umzukrempeln​ und uns für mehr Fairness einzusetzen. Dazu fragen wir uns, wie schon beschrieben, wie wir uns weiterhin gut selbst organisieren können, experimentieren an Formaten, die uns beim Reflektieren und Verbessern unseres Vorgehens helfen und beschäftigen uns viel damit, wie wir nicht nur »guten Service« bringen, sondern gemäß unseres Freundschaftsprinzips Menschen positiv berühren. Wer sich das Ganze mal näher anschauen möchte, ist herzlich eingeladen, sich selbst vor Ort in unserer Wirkungsstätte in Berlin ein Bild zu machen und zum Lunch vorbeizukommen! Wir dampfgaren jeden Mittag und freuen uns immer über Gäste!

Blick hinter die Kulissen gefällig? Hier gibt SwitchUp Kollegin Céline eine kleine Tour durch das Büro.

Du möchtest mehr über die »Tarifaufpasser« erfahren? Hier geht es zur Website von SwitchUp.

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