Meal Bag: Endlich eine Kunststoffverpackung, die den Namen »Bio« wirklich verdient hat - und sogar essbar ist!

Eigentlich wollte sich Designerin Amelie Graf in ihrer Abschlussarbeit mit etwas ganz anderem beschäftigen als mit Kunststoffen und entwickelte im heimischen Küchenlabor fast zufällig eine innovative Lebensmittelverpackung, die nicht nur beim Kochen nützlich ist, sondern sich sogar auf dem Gartenkompost komplett zersetzt. Die Idee wurde für den renommierten Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie »Design« nominiert. Wir haben mit Amelie über den Entstehungsprozess des Meal Bag und über die Verbindung von Design und Nachhaltigkeit gesprochen.
Foto © Amelie Graf
von Charlotte Clarke, 22. Dezember 2020 07:35

Die Meal Bag wurde kürzlich unter die Design-Finalisten des Deutschen Nachhaltigkeitspreises (DNP) – quasi der deutsche »Oscar-Preis« der Nachhaltigkeitsbranche – mit aufgenommen. Herzlichen Glückwunsch! Was macht die von dir entwickelte Lebensmittelverpackung so besonders? 

Amelie Graf: Vielen Dank. Ja, das freut mich sehr! Die Meal Bag ist eine essbare Lebensmittelverpackung, die Teil der darin enthaltenen Mahlzeit ist. Sie kann beim Kochen als Soßenbinder oder als Basis für einen Pudding verwendet werden. Mit der Meal Bag wird beispielsweise ein Porridge besonders cremig.


Wenn ich die Verpackung nicht gerade als Snack pur essen, aber auch nicht einfach in den Müll werfen möchte - was kann ich sonst damit sinnvollerweise anstellen?

Amelie: Das Material der Meal Bag kann auch dem Hundefutter statt Gemüseflocken beigemischt werden, da die enthaltenen Nährstoffe dieselben sind. Außerdem kann sie gemütlich am Hauskompost oder mit dem Biomüll entsorgt werden. Dort dient sie dann Mikroorganismen als Nahrung. In der freien Natur verwittert sie innerhalb weniger Wochen.

Foto © Amelie Graf


An sich ist die Idee, Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, ja nicht neu. Das Problem bei herkömmlichen sog. »Bio-Plastik« ist allerdings, dass sich dieses unter normalen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchte) nur extrem langsam zersetzt - die Kompostierbarkeit ist also eher nur auf theoretischer Ebene gegeben. Warum ist das bei den Meal Bags anders? Würden sie sich auch auf dem Komposthaufen im Garten wirklich zersetzen?

Amelie: Wie oben erwähnt kann das Material tatsächlich am Hauskompost entsorgt werden.

Seine Inhaltsstoffe werden für die Herstellung der Folie nicht modifiziert, die Nährstoffe bleiben im Material erhalten und so kann es auch von Mikroorganismen verstoffwechselt werden. Die enthaltenen Bausteine für Wachstum können zirkulieren.


Die Meal Bag ist im Rahmen deiner Masterarbeit an der Universität der Künste Berlin entstanden. Wie bist du damals als angehende Designerin überhaupt auf die Idee gekommen, mit Lebensmittelverpackungen zu experimentieren? Das würde man spontan ja eher dem Fachgebiet Chemie zuordnen.

Amelie: Eigentlich wollte ich überhaupt keine Verpackung machen. Ich beschäftigte mich mit dem Thema Materie, dem kulturellen Verständnis und dem daraus resultierenden Umgang mit Materialität in unserer Gesellschaft. Die theoretischen Auseinandersetzungen visualisierte ich durch Gedankenexperimente mit Kalkstein und Epoxidharz. Da Epoxidharz auf fossilen Rohstoffen basiert und damit »untrennbare« stoffliche Verbindungen entstehen, suchte ich nach einem alternativen Bindemittel. Ich begann mit einem klassischen Biokunststoffrezept auf Stärkebasis zu experimentieren. Durch die Recherchen zur stofflichen Nutzung der verwendeten Rohstoffe fand ich heraus, dass sie auch in essbarer Qualität genutzt werden und als Lebensmittelzusatzstoffe in der Industrie dienen.

Daher wägte ich mögliche Einsatzgebiete für meine »Biokunststoff«-Rezepturen ab und entschied mich dazu, anhand der Meal Bag zu demonstrieren, welche Möglichkeiten ein bedachter Umgang mit Materialität bieten kann.

Foto © Amelie Graf


Die praktische Experimentierphase muss ja ein unglaublich spannender Prozess gewesen sein. Wie können wir uns das vorstellen? Wie bist du vorgegangen und wo hast du dir Unterstützung gesucht?

Amelie: Ja, das Experimentieren war super spannend. Insgesamt habe ich in meiner Küche zuhause über 150 Proben »gekocht« und getrocknet. Irgendwann habe ich mir eine Küchenmaschine zugelegt, damit ich nicht mehr rühren musste, die Temperatur kontrollieren und dabei beobachten konnte. Da ich alles streng dokumentiert habe, konnte ich meine Rezepte stetig weiter entwickeln, bis ich letztendlich mit der Qualität zufrieden war. Die Firma Erfurt aus Wuppertal unterstützte mich, indem sie erste Varianten des Materials im Labor testeten und die Firma Jelu Werk aus Rosenberg sponserte mir die essbare Zellulose.


Wie geht es nun weiter mit dem Projekt? Kannst du dir vorstellen, mit den Meal Bags ein eigenes Startup zu gründen bzw. gibt es grundsätzlich schon konkrete Pläne, das Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln?

Amelie: Bis jetzt habe ich keine konkreten Pläne, da die aktuelle Situation leider alles verzögert. Ich fände es toll, zusammen mit einem Verpackungsunternehmen oder Lebensmittelhersteller die Meal Bag bis zur Marktreife weiter zu entwickeln. Allerdings habe ich durch meine Experimente noch mehr Ideen für nachhaltige Materialien und Verpackungen bekommen. Auch daran möchte ich gerne weiterforschen und am liebsten noch mehr Möglichkeiten zeigen, wie wir durch den Einsatz nachhaltiger Rohstoffe Stoffkreisläufe schließen können.


Dein Projekt zeigt sehr anschaulich, das Design mehr ist als Kunst, Mode oder Marketing. Welchen Beitrag kann Design zu einem nachhaltigen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft leisten?

Amelie: Gute Designer*innen sind ein Stück Utopist*innen, hinterfragen die Auswirkungen von Dingen, Produkten oder Dienstleistungen und arbeiten interdisziplinär. Ich denke, das, was Design vor allem beitragen kann, ist die Konzeptionierung, Visualisierung, Realisierung und Kommunikation von Veränderungsmöglichkeiten für eine nachhaltige und bessere Zukunft.

Foto © Amelie Graf

Über Amelie Graf

Amelie ist Modeschneiderin (Ausbildung bei Hugo Boss), Grafikdesignerin (OfG), freiberufliche Dozentin (Hochschule Macromedia Stuttgart, seit Oktober 2020) und Produktdesignerin (B.A. OTH Regensburg & M.A. UdK Berlin). Die Kreation einzigartiger Produkt- und Dienstleistungskonzepte durch interdisziplinäre Forschung und Experimentieren ist ihre Leidenschaft. Philosophie, Psychologie, Kulturwissenschaften, Materialwissenschaften und Technologie bilden den Kern ihrer Arbeiten. Durch sie möchte sie einen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltig lebenden Gesellschaft und Wirtschaft leisten und Veränderungsmöglichkeiten greifbar machen.









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