Faire Elektronikgeräte mieten statt kaufen – bei Commown: »Es liegt demnach im Interesse aller Verbraucher*innen, aus einem so schädlichen System auszubrechen.«

Wir alle kennen das Ärgernis: Das Smartphone ist kaputt, eine Reparatur ist jedoch aufgrund der Bauweise kaum möglich oder lohnt sich nicht. Diese sog. geplante Obsoleszenz macht für Hersteller jedoch nur in einem System Sinn, in dem möglichst oft neue Geräte verkauft werden müssen. Beim Geschäftsmodell »Hardware-as-a-Service« jedoch wird auf Langlebigkeit gesetzt, denn hier werden die Geräte gemietet, nicht gekauft – und wenn immer möglich repariert. Genau diese kleine Revolution der Elektronikbranche möchte die Genossenschaft Commown gemeinsam mit nachhaltigen Hard- und Software-Herstellern vorantreiben.
Photo by Ravi Kumar on Unsplash
von Charlotte Clarke, 15. Oktober 2021 um 07:55

Mit Commown habt ihr es euch zur Aufgabe gemacht, die Elektronikbranche zu einem nachhaltigen und verantwortungsbewussten Sektor zu transformieren. Klingt nach einer großen Aufgabe! Aber fangen wir vorne an: Auf welchen Ebenen ist die heutige Elektronikindustrie aus ökologischer und sozialer Perspektive besonders problematisch?

Robin Angelé: Ob Handy, Laptop oder Tablet – wir alle sind heute auf digitale Geräte angewiesen. Doch der enorme Überfluss und die kurze Lebensdauer technischer Geräte führen zu einer Überproduktion im Elektroniksektor. Dies hat verheerende Folgen für Mensch und Umwelt, denn Smartphones und andere Elektrogeräte bestehen aus vielen seltenen Erden (Metallen), bei deren Gewinnung Umwelt- und Arbeitsstandards kaum eingehalten werden. Kinderarbeit in afrikanischen Minen, katastrophale Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken sowie durch Elektroschrott verursachte Umweltverschmutzung sind leider nur einige Beispiele hierfür.

Alle Studien (u.a. der UN-Berichts »Global E-Waste Monitor« oder die Studie vom European Environmental Bureau) zeigen, dass es nun dringend notwendig ist, die Zahl der hergestellten und verkauften Elektrogeräte zu reduzieren. Dies ist jedoch für Unternehmen, die ausschließlich auf den Verkauf dieser Geräte angewiesen sind, nicht durchführbar. Wir müssen daher schnellstens zu einem nachhaltigeren Modell im Elektroniksektor wechseln, das auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft basiert! 

Deshalb haben wir uns mit weiteren verantwortungsbewussten Unternehmen zusammengetan und mit ihnen das Kollektiv FairTEC gegründet. Das Ziel: Ein Paradigmenwechsel hin zu einem verantwortlichen Umgang und einer nachhaltigen Produktion im Technologiesektor. Hand in Hand arbeitet das Kollektiv europäischer Unternehmen an nachhaltigen und ethischen Smartphone-Lösungen: Das niederländische Social Business Fairphone, das Open-Source-Betriebssystem /e/OS, das durch seine Datenschutzfreundlichkeit Privatsphäre zurückgibt, der deutsche Anbieter für nachhaltige Mobilkommunikation WEtell und last but not least Commown als Anbieter von »Hardware-as-a-Service«. Dank FairTEC lässt sich über den Online-Shop von Commown beispielsweise ein Fairphone »as a Service« mit einem vorinstallierten /e/ Open Source-Betriebssystem und einer WEtell SIM-Karte kombinieren.


Welches Konzept verfolgt ihr mit
Commown? Welche Geräte kann ich bei euch beziehen (und welche sind evtl. In Planung)?

Robin: Commown ist eine gemeinnützige Genossenschaft, die faire und nachhaltige Elektronik durch den Verleih von Geräten unterstützt, die öko-konzipiert und dadurch leicht reparierbar sind. Im Gegensatz zu den heute üblicherweise auf dem Markt angebotenen Geräten lassen sich die Produkte von Commown deutlich länger nutzen. So zum Beispiel die Kopfhörer »Gerrard Street«, die aus abnehmbaren Modulen bestehen und dadurch leichter zu reparieren sind.

Auch das bereits sehr beliebte Fairphone kann bei Commown zu einem attraktiven Monatstarif gemietet werden, der sich jedes Jahr schrittweise verringert und nach fünf Jahren sogar bereits unter 8 € liegt.

Commown bietet ein umfassendes Paket an Service- und Reparaturleistungen, die im Abonnement inbegriffen sind und weit über die Herstellergarantie hinausreichen:

  • Übernahme sämtlicher Reparaturen
  • unbegrenzter technischer Support
  • bei Bedarf kostenlose Lieferung eines Ersatzgerätes
  • bei Bedarf kostenloser Austausch des Akkus u.v.m.

Dennoch ermutigen wir all diejenigen, die aktuell noch ein Gerät haben, dieses auch so lange wie möglich zu nutzen. Wer aber jetzt schon vorsorgen möchte, kann bei Commown einen Aktionsgutschein erwerben und diesen einlösen, sobald ein neues Gerät wirklich gebraucht wird.

In Kürze planen wir, auch in Deutschland die nachhaltigen Laptops von Why! Open Computing, Computer von PC Vert sowie (B2B)-Leistungen für Firmen anzubieten.


Auch mit einer ethisch verantwortlich produzierten Hardware besteht immer noch das Problem des Betriebssystems: Auf dem Markt dominieren momentan die Systeme von Google und Apple – zwei Konzerne, die sich in Punkto Nachhaltigkeit nicht gerade mit Ruhm bekleckern. Gibt es auch nachhaltige Software-Alternativen für den Betrieb von Smartphones und Laptops?

Robin: Wir sind uns bei Commown der Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre bewusst und bieten aus diesem Grund alternative Betriebssysteme an, wie z.B. /e/OS, das durch die /e/ foundation entwickelt wurde. Für Laptops und Computer bieten wir auch das Open-Source Betriebssystem Linux an – mit technischem Support und Einführungs-Training.

Zudem führt Commown 5 % seines mit Hilfe freier Software erwirtschafteten Umsatzes an die Entwickler*innen von »Fdroid« ab und ist Mitglied in den Vereinen ZeroWaste e.V., SEND e.V. und Circular Berlin e.V., um eine nachhaltigere und solidarische Entwicklungsstrategie zu unterstützen.


Ein Thema, das in den Medien immer wieder heiß diskutiert wird, ist die sog. geplante Obsoleszenz. Die Verbraucher*innen werfen den Herstellern vor, ihre Geräte bewusst so zu designen, dass sie schnell kaputt gehen und/oder schlecht repariert werden können. Die Hersteller auf der anderen Seite zeigen mit dem Finger jedoch auf die geizigen Konsument*innen, die nicht bereit seien, für langlebige Geräte mehr Geld auszugeben. Was könnten mögliche Wege aus diesem Dilemma sein?

Robin: Für Commown liegt das Problem besonders im wirtschaftlichen Verkaufsmodell, das die Hersteller dazu drängt, kurzlebige Produkte zu verkaufen, um so ihren Umsatz zu erhöhen. Um möglichst hohe Umsätze zu erzielen, sind die Hersteller leider auf die geplante Obsoleszenz ihrer Produkte angewiesen.

Es gibt unterschiedliche Arten von Obsoleszenz, die von großen Konzernen genutzt werden:

  • Materielle Obsoleszenz: Die Hersteller konzipieren die Geräte so, dass sie nicht leicht zu reparieren sind und nach einer bestimmten Zeit aufhören zu funktionieren.
  • Software-Obsoleszenz: Das Gerät funktioniert noch, aber der Hersteller beendet den Support für das Betriebssystem.
  • Obsoleszenz als Marketing-Strategie: Werbung regt zum Kauf neuer Geräte an.

In der Elektronikindustrie ist daher ein Wechsel des Wirtschaftsmodells erforderlich. Dafür bietet Commown eine nachhaltige Version von »Hardware as a Service« an, das auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft basiert. Anders gesagt: Was nicht mehr reparierbar ist, dient als Ersatzteillager für andere Geräte. Und da Commown nie ein Gerät verkaufen wird, kann die Genossenschaft garantieren, dass ihre Geräte so lange wie möglich repariert und vermietet werden.

Das Argument, dass die Konsument*innen nicht bereit wären, für langlebige Geräte mehr Geld auszugeben, ist unserer Meinung nach völlig übertrieben: Ein Fairphone, das vollkommen modular und einfach zu reparieren ist, kostet deutlich weniger als ein iPhone, das immerhin eines der am meisten auf dem Markt verkauften Geräte ist.


Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich als Verbraucher*in, aktiv Druck auf Konzerne auszuüben und sozial-ökologische Produktionsweisen einzufordern?

Robin: Besonders die Verbraucher*innen tragen die Kosten für das aktuelle System: Aufgrund der geplanten Obsoleszenz von Hard- und Software sind diese gezwungen, sich regelmäßig ein neues Gerät anzuschaffen. Denn zum einen ist die Hardware absichtlich so konzipiert, dass sie sich nicht mehr reparieren lässt und zum anderen verhindern neueste Updates eine Weiterverwendung älterer Software. Es liegt demnach im Interesse aller Verbraucher*innen, aus einem so schädlichen System auszubrechen und nachhaltigere und umweltfreundlichere Modelle zu wählen, die nicht nur den eigenen Geldbeutel, sondern auch unseren Planeten schonen.

Als Verbraucher*in sollten wir Firmen bevorzugen, die nachweisen können, dass ihre Geräte so fair wie möglich produziert werden und geplante Obsoleszenz nicht anwenden. So haben wir uns z.B. entschieden, mit der Firma Fairphone zu arbeiten, die B-Corp zertifiziert ist.

Im Fairphone 3 wird z.B. so viel recyceltes Material wie möglich verwendet. Es enthält bis zu 50 % recycelten Kunststoff und 34 % recyceltes Kupfer. Es ist zudem das erste Smartphone, das Fairtrade-zertifiziertes Gold enthält.

Im Fairphone 4, das eine qualitativ hochwertige Kamera und Zugang zum 5G-Netz bietet, sind diese Anteile mit insgesamt 14 Materialien, die entweder aus Recycling oder von konfliktfreien Minen stammen, noch höher. Darüber hinaus wird es das erste Smartphone weltweit sein, das neben fair gehandeltem Gold auch Fairtrade-zertifiziertes Silber enthält. Die Modularität der Fairphones verbessert auch ihre Wiederverwertbarkeit am Ende der Lebensdauer, da einige Module hauptsächlich bestimmte Metalle, wie z.B. Gold, enthalten.


Wie ist die Idee zur Gründung von
Commown entstanden und wie habt ihr als Gründungsteam zusammengefunden?

Robin: Wir haben uns 2017 in Straßburg als gemeinnützige Genossenschaft zusammengeschlossen. Elie, dem Umweltschutz schon immer sehr am Herzen lag, hat das Projekt ins Leben gerufen. Aufgewachsen ist er in den Bergen auf dem kleinen Biohof seiner Eltern. Vor Commown war er als Forscher im Bereich Quantencomputer tätig. Unterstützt wurde er gleich zu Beginn des Projekts von Mitbegründer Adrien, der seit dem Dokumentarfilm Tomorrow ein engagierter Umweltaktivist ist. Mit ihnen brachten schließlich zwei weitere Mitbegründer ihr betriebliches Know-How mit ein: Florent ist Experte für freie Software und hat 20 Jahre in der Webentwicklung und im Management von Entwicklerteams gearbeitet. Fred blickt auf eine 15-jährige unternehmerische Erfahrung im Bereich Buchhaltung und Vertrieb zurück.

Das Projekt wäre jedoch nicht möglich ohne die Unterstützung unserer umweltbewussten Kund*innen, nachhaltigen und fairen Hersteller, verantwortungsbewussten Investoren sowie unserer Partner, Commowner und Freiwilligen, die Commown zu dem gemacht haben, was es heute ist!


Fast alle eure Teammitglieder haben eher untypische Karrierewege bzw. eine mehr oder weniger radikale Neuorientierung hinter sich. Inwieweit bereichern »krumme« Lebensläufe die Entwicklung eures Projekts und eure Zusammenarbeit im Team?

Robin: Managementstudien sprechen von Mitarbeitenden, die »extrinsische« Motivation oder »intrinsische« Motivation haben. Geld und Status sind extrinsische Motivationen. Sind diese nicht mehr vorhanden, sind einige Mitarbeitende plötzlich weg.

Intrinsische Motivation hingegen kommt aus dem Herzen und ernährt sich von selbst. Alle Mitgründer von Commown haben sich entschieden, viel weniger Geld zu verdienen, als sie es woanders hätten tun können, aber dafür ein Projekt zu ermöglichen, das für sie selbst und für die Zukunft unserer Gesellschaft Sinn stiftet. Sie sind also ein inspirierendes Vorbild für das ganze Team, da sie genau wissen, warum sie da sind und was sie damit erreichen wollen.


Für euer Unternehmen habt ihr euch für eine recht ungewöhnlich Rechtsform entschieden: Eine gemeinnützige Genossenschaft. Welche Besonderheiten hat eine Genossenschaft und wie unterstützt diese Struktur eure Mission?

Robin: Gegenseitige Hilfe und Kooperation sind für uns die einzige Möglichkeit, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Deshalb haben wir uns für die Unternehmensform einer gemeinnützigen Genossenschaft französisches Rechts (Société Coopérative d’Intérêt Collectif) entschieden. Diese Unternehmensform erlaubt es verschiedenen Akteuren (Kund*innen, Hersteller, Angestellte), Genossenschafter*innen zu werden. Hier gilt 1 Person = 1 Stimme, die Macht ist nicht an das Kapital gebunden und die Bedeutung desselben gering. Der kooperative Geist fördert außerdem den Kontakt zu anderen gemeinnützigen Genossenschaften.


Auf welche Weise engagiert ihr euch politisch für eine verantwortungsvolle Elektronik? An welchen gesetzlichen Stellschrauben sollte eurer Meinung nach zuerst gedreht werden?

Robin: Commown setzt sich auch dafür ein, die Gesetzgebung für eine verantwortungsvolle Elektronik voranzutreiben und arbeitet aktiv an der Entwicklung des Reparatur-Index in Frankreich, der in den kommenden Jahren auch in Deutschland und der EU eingesetzt werden soll (weitere Informationen hier).

Für das Verbot und die Sanktionierung geplanter Obsoleszenz jeglicher Art sowie für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft sind entsprechende politische Maßnahmen unerlässlich. Nur so lassen sich die negativen Auswirkungen einer Überproduktion eindämmen. Mit Hilfe eines gesetzlichen Rahmens soll die öffentliche Hand zur treibenden Kraft eines verantwortungsbewussten Elektronik-Sektors werden.

© Commown SCIC


Über Robin Angelé

Da er dazu beitragen wollte, eine nachhaltige und bürgerfreundliche Lösung für die ökologischen Probleme zu finden, die uns heute mehr denn je bedrohen, hat Robin sich dazu entschlossen, sich in der Genossenschaft Commown als Projektleiter zu engagieren und dieses Zukunftsprojekt mit unseren vielen deutschen Partnern gemeinsam zu verwirklichen.


Du möchtest mehr erfahren? Hier geht es zur Webseite von Commown.


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