Gemeinwohl-Ökonomie: Welche Unternehmen als Pioniere für eine zukunftsfähige Wirtschaft vorangehen

Hast du dich auch schon einmal gefragt, warum die Kluft zwischen Reich und Arm immer größer wird? Warum der Ressourcenverbrauch und die Klimaerwärmung immer mehr steigt? Eines der wesentlichen Gründe liegt darin, dass Unternehmen primär nach ihrem wirtschaftlichen Erfolg bewertet werden, wobei Faktoren wie soziale Verantwortung oder soziale Gerechtigkeit nur am Rande betrachtet werden. Ein alternatives Wirtschaftsmodell, welches das System wieder vom Kopf auf die Füße stellt, ist die Gemeinwohl-Ökonomie.
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von Nga Lam, 29. Juli 2019 um 09:25

Was ist eigentlich die Gemeinwohl-Ökonomie?


Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist eine international agierende gesellschaftliche Bewegung, die seit 2010 von Unternehmen, Organisationen sowie engagierten Personen getragen wird. Die Gemeinwohl-Ökonomie stellt zugleich ein alternatives Wirtschaftsmodell dar, welches ein umfangreiches Konzept zur Förderung einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft umfasst. Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz sind zentrale Werte der GWÖ. Diese wirken sich sowohl auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene aus. 

Der primäre Fokus des Wirtschaftens liegt bei diesem Modell nicht auf der Gewinnerzielung als Selbstzweck, sondern auf dem Gemeinwohl. Dies bedeutet, dass ein am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaften zu einer gerechten Verteilung von Einkommen, Vermögen und Macht beiträgt und die Grenzen der natürlichen Ressourcen achtet.


Die Gemeinwohl-Bilanz


Durch die Gemeinwohl-Bilanz wird sichtbar, welchen Beitrag ein Unternehmen zum Gemeinwohl in verschiedenen Bereichen leistet. Sie dient gleichzeitig als Management-Instrument, Zertifizierung und Format für die CSR-Berichterstattung. Anhand dieser Bilanz können Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit dauerhaft nachhaltiger ausrichten. 

Mit Hilfe eines Punktesystems wird geprüft, inwieweit die Unternehmen zentrale Werte eines nachhaltigen Wirtschaftens auf verschiedene Stakeholder tatsächlich in die Praxis umsetzen, Dazu gehören z.B. die faire Beziehung zu Kund*innen, die Auswahl der Lieferant*innen, Menschenwürde am Arbeitsplatz, die ökologischen Auswirkungen der Produktion sowie der Beitrag zum Gemeinwesen. Insgesamt wird für 20 Kriterien jeweils eine Punktzahl vergeben, die in der sog. GWÖ-Matrix zusammengefasst sind. Es können auch negative Punkte angerechnet werden, sollte das Unternehmen in einem Bereich noch sehr starken Nachholbedarf haben. Die Summe dieser Punkte bildet am Ende die Gemeinwohl-Bilanz. Nicht nur Unternehmen können sich bilanzieren lassen, sondern auch Vereine, Organisationen, öffentliche Einrichtungen, Behörden und sogar ganze Städte und Kommunen.

Die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz erfolgt in der Regel im Rahmen einer Unternehmer*innen-Gruppe, in denen die Teilnehmenden vom intensiven Austausch und Netzwerk profitieren. Dabei werden die Unternehmen bei allen Schritten von einem GWÖ-Berater oder einer GWÖ-Beraterin unterstützt. Bei den gemeinsamen Workshops nehmen die Unternehmen zunächst eine Selbsteinschätzung vor und diskutieren diese mit den anderen Teilnehmenden. Möchten die Unternehmen ihren Gemeinwohl-Bericht offiziell zertifizieren lassen, erfolgt eine Prüfung durch einen externen GWÖ-Auditor oder eine -Auditorin. Die zertifizierten Bilanzen werden dann in der Datenbank der GWÖ veröffentlicht. Die testierten Unternehmen können zudem ihre Produkte mit dem GWÖ-Siegel sowie ihrer erreichten Punktezahl kennzeichnen.


Welche Vorteile bietet die Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen und Verbraucher*innen?


Die Gemeinwohl-Bilanz bietet Unternehmen einen tiefen Einblick in die Potentiale aller geschäftlichen Aktivitäten in Bezug auf ökologische und soziale Verantwortung. Sie dokumentiert, auf welchem Stand sich ein Unternehmen hinsichtlich seiner Gemeinwohl-Orientierung befindet und zeigt auf, in welchen Bereichen es bereits vorbildlich agiert und in wo noch Optimierungsbedarf besteht bzw. welche Potenziale für die Zukunft relevant sein könnten. Damit wird zudem nicht nur das Bewusstsein für werteorientierte Ziele innerhalb des Unternehmens gefördert, sondern auch eine langfristige, faire Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen, Kund*innen und anderen Stakeholdern. Das Unternehmen signalisiert, dass es aktiv gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und stärkt so seinen positiven Ruf nach außen hin. Es grenzt sich womöglich von anderen Unternehmen ab und erhöht seine Attraktivität am Markt - sowohl für Kund*innen als auch Bewerber*innen. Die nachhaltigen Aktivitäten haben auch einen positiven Effekt auf die Mitarbeiter*innen des Unternehmens. Die transparenten und demokratischen Kommunikationsstrukturen fördern Zufriedenheit, Mitarbeitermotivation und letztendlich auch die Arbeitsproduktivität. 

Die Gemeinwohl-Zertifizierung ist natürlich auch aus Verbraucher*innen-Sicht interessant. Auf die Gemeinwohl-Bilanz hat jeder Zugriff. Die Transparenz schafft Vertrauen und erleichtert die Identifizierung von nachhaltigen Produkten. Zudem lassen sich durch das Punktesystem die Aktivitäten verschiedener Unternehmen viel leichter miteinander vergleichen.

Wer sich als Privatperson oder Initiative für eine nachhaltige Wirtschaft engagieren möchte, kann sich einer der zahlreichen Regionalgruppen der GWÖ anschließen.


GWÖ-zertifizierte Unternehmen 


Über 2.000 Unternehmen engagieren sich bereits für das GWÖ-Modell und mehr als 400 Unternehmen haben sich zertifizieren lassen. Einige davon stellen wir dir nun im Folgenden vor. 

BODAN Großhandel für Naturkost GmbH
Der am Bodensee ansässige Naturkostgroßhändler beliefert mit seinem umfangreichen Lebensmittelsortiment Einhändler*innen sowie selbständige Hof- und Naturkostläden. Alle Produkte sind bio-zertifiziert, vorzugsweise nach Naturland-, Bioland- und Demeter-Standard. Neben der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes und eines Gemeinwohl-Berichts, welcher das öko-soziale Engagement des Unternehmens darstellt, unterstützt BODAN mehrere regionale Nachhaltigkeitsinitiativen im Bereich des ökologischen Landbaus.

followfood GmbH
Ein ebenso GWÖ-zertifiziertes Unternehmen ist das Lebensmittelunternehmen followfood, das für eine nachhaltige Herstellung ihrer über 70 Tiefkühl-, Konserven- und Frische-Produkte steht. Followfood sieht sich nicht nur als Unternehmen, sondern auch als eine Bewegung, die ökologische Projekte durchführt und sich für nachhaltig arbeitende Fischereien sowie Landwirt*innen engagiert. Das Unternehmen bietet seinen Kund*innen darüber hinaus mit Hilfe eines Tracking-Codes völlige Transparenz über die Herstellung ihrer verkauften Produkte. 

Maas Natur GmbH
Maas Natur vertreibt Kleidung für Herren, Frauen und Kinder sowie Wohnaccessoires. Ökologische und soziale Verantwortung sind zentrale Werte, auf denen die Entscheidungen des Unternehmens basieren. In Sachen Gemeinwohl hat das Unternehmen einiges zu bieten: Maas Natur unterstützt z.B. die bioRe® Stiftung »Menschenrechte durch Bio-Baumwolle« sowie die Klimaschutzinitiative »DIE KLIMASCHÜTZER«.

Ökofrost GmbH
Das Unternehmen Ökofrost entwickelt und vertreibt nachhaltige und ökologische Bio-Tiefkühl-Produkte. Seit 2012 ist das Unternehmen Mitglied der GWÖ. Ökofrost hat sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur 100 % ökologischen Lebensmittelwirtschaft zu leisten. Seine positiven Bilanzwerte spiegeln sich insbesondere in den Bereichen ökologische Nachhaltigkeit, gerechte Einkommensverteilung, ethisches Beschaffungswesen sowie Mitbestimmung und Transparenz wider. 

Ökoring Handels GmbH
Auch der Biogroßhandel Ökoring Handels folgt den Grundsätzen der Gemeinwohl-Ökonomie und hat sich bilanzieren lassen. Über 10.000 Bioartikel u.a. aus den Bereichen Obst, Gemüse und Molkereiprodukte sowie Produkte aus den Bereichen Naturkosmetik, Hygiene- und Haushaltsartikel vertreibt das Unternehmen. Ökologie und Umweltschutz sind zentrale Werte ihrer Unternehmensphilosophie. Ökoring Handels übernimmt gesellschaftliche Verantwortung, indem es Projekte wie z.B. »Food for Energy« der Stiftung Sofis World unterstützt.  

Sparda-Bank München eG
Die Sparda-Bank München war die erste Bank in Deutschland, die das Modell der GWÖ aktiv unterstützt. Es wurden bereits vier Gemeinwohl-Bilanzen erstellt. Die Bankgenossenschaft lehnt Gewinnmaximierung ab und achtet konsequent darauf, dass z.B. Gleichbehandlung und nachhaltiges Investieren im Fokus des Wirtschaftens stehen.

Taifun-Tofu GmbH
Zur Produktpalette von Taifun-Tofu zählen beispielsweise Tofu-Würstchen, mediterrane Tofu-Spezialitäten, fermentierter Tofu sowie vegane Aufschnitte. In der Gemeinwohl-Bilanz punktet Taifun-Tofu u.a. bei regionalen, ökologischen und sozialen Aspekten. Der Tofu-Hersteller arbeitet ausschließlich mit zertifizierter Bio-Rohware und setzt sich aktiv für den heimischen Sojaanbau ein.

VAUDE Sport GmbH & Co. KG
VAUDE ist ein Outdoor-Pionierunternehmen, das sich für die GWÖ engagiert. Die umfangreiche Produktpalette umfasst Outdoor-Produkte aus den Bereichen »Mountain Sports«, »Bike Sports« und »Packs 'n Bags«. Das Unternehmen orientiert sich besonders am Thema Nachhaltigkeit. Es sorgt in seiner gesamten Lieferkette für umweltfreundliche Produktion und faire Arbeitsbedingungen.


GWÖ-zertifizierte Organisationen & Netzwerke


Öko & Fair Umweltzentrum Gauting
Neben einem Fair Café und einem Bio-Catering für Kinderbetreuungseinrichtungen bietet das Umweltzentrum Gauting auf Wochen- und Flohmärkten sowie in seinem Hofladen Bio- und Fairtrade-Produkte an. Die Erlöse investiert die Organisation u.a. in Vorträge, Ausstellungen sowie Veranstaltungen. Das Umweltzentrum hat sich 2018 mit vier anderen Organisationen und Firmen zusammengeschlossen, um gemeinsam eine Kompaktbilanz zu erarbeiten. Es befürwortet nachhaltigen Konsum und lehnt die Ausbeutung der Länder des globalen Südens ab. 

ParticiPaid
ParticiPaid dient als weltweite Netzwerkplattform. Projektmanager*innen, die bei ihrem sozialen Projekt Hilfe benötigen, Unternehmen und Organisationen sowie Menschen, die sich sozial engagieren und sich als Volontär*innen zur Verfügung stellen, haben hier die Möglichkeit, sich miteinander zu vernetzen. 

Samariterstiftung
Die Samariterstiftung in Baden-Württemberg bietet in ihren 60 Häusern und Einrichtungen Unterstützung in den Bereichen Altenhilfe und Pflege, Nachbarschaftshilfe, Familienpflege sowie Eingliederungshilfe an. Mehr als 2.600 Mitarbeiter*innen engagieren sich in dieser Stiftung insbesondere für Senior*innen, Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Die Gemeinnützigkeit steht im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und damit verbunden, das Gemeinwohl. 

Wir-Kinder der Erde
Wir-Kinder der Erde bietet Ausbildungen, Kurse, Reisen sowie Mentoring rund um das Thema Wildnis an. Das Team möchte den Menschen die Natur näher bringen und sie für die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sensibilisieren. Unterstützt wird die Schule u.a. vom Landesbund für Vogelschutz und vom Bund Naturschutz. 


Du interessierst dich besonders für das Thema gesellschaftliche Verantwortung in Unternehmen? Dann wirf’ doch mal einen Blick in unseren Artikel »Corporate Citizenship: Beispiele in Unternehmen, Programme, Netzwerke«!


Du kennst weitere Unternehmen, Organisationen oder Netzwerke mit Bezug zur Gemeinwohl-Ökonomie, die unbedingt in die Liste gehören? Dann schreib’ uns einfach eine kurze E-Mail an: team@nachhaltigejobs.de.

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