»Going Green« - Perfekt unperfekt in ein nachhaltigeres Leben mit Janine Steeger

Ein nachhaltiger Lebensstil kann auf den ersten Blick anstrengend erscheinen - bei vielen Dingen muss man am Anfang zwar einige Gewohnheiten ändern, was sich im Nachhinein aber oft als Gewinn an Lebensqualität herausstellen kann. Dies hat die Journalistin Janine Steeger am eigenen Leibe erfahren und ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in einem Buch niedergeschrieben. Im Interview erfährst du, was sie dazu bewegt hat, was sie motiviert und welche Lösungen sie vorschlägt.
Foto © : Nadine Dilly
von Robert Franzen, 12. Februar 2020 um 09:09

In Ihrem Buch »Going Green« erzählen Sie vor allem von ihrer persönlichen Reise in ein nachhaltigeres Leben und zeigen u.a. auch, wie schwierig dieser Schritt  immer noch ist, weil einem überall Steine in den Weg gelegt werden. Was müsste sich Ihrer Erfahrung nach grundlegend ändern, damit es uns einfacher gemacht wird, nachhaltiger zu Leben? In welchen Bereichen ist Ihnen eine Veränderung besonders schwer gefallen?

Janine Steeger: Für mich persönlich war die Veränderung meines Mobilitätsverhaltens die größte Nuss, die es zu knacken galt. Da war die Gewohnheit, mit dem eigenen Auto unterwegs zu sein, irre stark. Im Bereich der Mobilität und auch in allen anderen Bereichen wäre es essentiell wichtig, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die uns als Zivilbevölkerung oder auch als Unternehmer*innen das nachhaltigere Verhalten leichter und attraktiver machen. Anreize sind dabei ein großes Thema. Mein 8-jähriger Sohn sagte kürzlich zu mir: »Mama, warum ist nicht einfach alles, was die Umwelt kaputt macht, teurer als das, was sie schont?« Und genauso kinderleicht könnte die Lösung ja sein.


Was war der ausschlaggebende Moment, der Sie dazu bewegt hat, ihr Leben derart umzukrempeln?


Steeger: 2011 saß ich tagelang schwanger auf dem Sofa und habe die Fukushima Katastrophe beobachtet. Das war der Moment, in dem ich angefangen habe, entscheidende Fragen zu stellen: »Was machen wir da eigentlich mit unserer Lebensgrundlage, wie müssten wir uns verhalten, um den Planeten zu schützen? Was kann ich dazu beitragen?« In diesem März 2011 fing alles an.



Oft werden Menschen immer noch belächelt, teilweise sogar angefeindet, wenn sie sich für eine nachhaltigere Zukunft stark machen. Hatten Sie auch mit solchen Reaktionen zu kämpfen und wie sind Sie damit umgegangen?

Steeger: Natürlich erlebe ich das auch. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen die destruktive Energie in konstruktive umwandeln. Und anstatt bei anderen das Haar in der Suppe zu suchen, bei sich selbst anfangen, Verhaltensweisen zu ändern. Insgesamt gehe ich selbst inzwischen sehr offensiv mit meiner Unperfektion um. Das nimmt vielen Kritiker*innen den Wind aus den Segeln und schont somit meine Nerven.



Hand auf’s Herz: Haben Sie ab und zu nicht den Gedanken, einfach aufzugeben und mit der Masse zu schwimmen? Was machen Sie in diesen Momenten um sich dann doch zum Weitermachen zu motivieren?


Steeger: Natürlich könnte und möchte ich manchmal Heulen, Schreien und Aufgeben. Ich gehe dann ganz bewusst in Kontakt und ins Gespräch mit den vielen Visionäre*innen, die ich inzwischen kenne. Menschen, die sich mit Lösungsansätzen beschäftigen und Mitstreiter*innen sind. Danach geht es mir sofort besser. Das zeigt allerdings auch, wie dringend wir mehr konstruktiven Journalismus brauchen in Deutschland, insbesondere im Bereich des Klimaschutzes. Das bedeutet, dass Journalist*innen nicht nur beschreiben, was ist, sondern auch aufzeigen, wie es weitergehen kann, wie Lösungen aussehen können. Wir müssen den Konsument*innen von Nachrichten diesen positiven Blick in die Zukunft verschaffen. Wenn sie immer nur Weltuntergangsszenarien hören und lesen, werden sie sich gänzlich abwenden von Informationen. Und das wäre fatal.



Sie sagen auch, dass man anderen Menschen eine solche Lebensweise nicht aufzwingen könne bzw. solle. Wäre es aber theoretisch nicht besser, wenn die Politik, die Länder und die Kommunen bestimmende Wegweiser vorgeben würden?


Steeger: Es ist unerlässlich, dass Politik neue Rahmenbedingungen schafft. Ich glaube nur, dass wir als Bürger*innen erstens unsere Vorbildfunktion nicht unterschätzen dürfen, mit der wir andere Menschen inspirieren. Und zweitens bin ich überzeugt, dass Politiker*innen nur dann mutig genug sind, neue Rahmenbedingungen zu schaffen, wenn wir Wähler*innen ihnen das Gefühl geben, dass wir Veränderung wollen.



Warum sträuben sich Ihrer Meinung nach immer noch so viele Menschen, den harten Fakten bezüglich Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung ins Auge zu blicken? Sie haben ja zum Beispiel auch geschrieben, dass sich ihr ehemaliger Arbeitgeber nur halbherzig für ihre Belange bezüglich dieser Thematik zu interessieren schien. Auch in vielen anderen Instanzen wirkt es so, als würde sich nur halbherzig mit der Problematik rund um den Klimawandel beschäftigt. Oft stößt man sogar auf Abwehrhaltung. Woran könnte das liegen?

Steeger: Wir müssen unterscheiden zwischen Leugner*innen des menschengemachten Klimawandels, die ich einfach nicht ernst nehmen kann, weil diese Menschen der Wissenschaft misstrauen. Das ist so, als würde ich in Erwägung ziehen zu glauben, dass die Erde doch eine Scheibe sein könnte. Und dann gibt es die anderen, die das Thema nicht ausreichend ernst nehmen. Dafür gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe. In der Wirtschaft ist es die Sorge, dass Nachhaltigkeit sich ökonomisch schlecht auswirkt. Und auf rein menschlicher Ebene ist es der fehlende Mut, Gewohnheiten zu überprüfen, weil es unbequem und anstrengend ist. Ich habe selbst bei allen Veränderungen die Erfahrung gemacht, dass sie mir ein besseres Leben beschert haben. Aber auch ich musste natürlich die Hürde nehmen, aus meinem Trott auszubrechen, um das Gute überhaupt entdecken zu können.



Wie sehen Ihre weiteren Zukunftspläne aus? Könnten Sie sich vorstellen, noch weitere Bücher zum Thema Nachhaltigkeit zu verfassen oder sich in andere Projekte diesbezüglich zu vertiefen?


Steeger: Erst einmal möchte ich jetzt mit meinem aktuellen Buch und mit Vorträgen zu meinem Weg in ein nachhaltigeres Leben möglichst viele Menschen inspirieren. Unabhängig davon habe ich ständig neue Ideen in meinem Kopf. 2018 habe ich die Seite FUTUREWOMAN.de gegründet, die Frauen zeigt, die Grüne Heldinnen sind. Zusammen mit einer Partnerin veranstalten wir inzwischen FUTURETALKS, um all diese »Women in Sustainability« zu vernetzen und sie zu unterstützen, in Entscheidungspositionen in Unternehmen zu kommen, um von dort das Thema Nachhaltigkeit voran zu treiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass insbesondere diese Business-Ebene in der Zukunft ebenfalls Stoff für ein Buch sein könnte. Darüber hinaus bin ich mehr denn je überzeugt, dass wir Räume schaffen müssen, wo man ein nachhaltiges Leben auf Probe buchen kann. Vorreiter-Regionen oder Orte, in denen wir all die positiven Erfahrungen, die ich in vielen Jahren gesammelt habe, in kürzester Zeit erlebbar machen. Sollte es mir irgendwann gelingen, so etwas zu schaffen, ist das sicher ebenfalls Buch tauglich.



Über Janine Steeger

Foto © oekom-Verlag

Janine Steeger wurde 1976 in Engelskirchengeboren. Sie arbeitete u.a. als Redakteurin und Moderatorin bei ProSieben, RTL, Sat.1 und dem MDR, bevor sie 2008 das Gesicht von »Explosiv – Das Magazin« wurde. Heute arbeitet sie als freie Moderatorin, Speakerin und Medientrainerin mit den Themenschwerpunkten Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

2018 hat Janine die Initiative »futurewomen.de« ins Leben gerufen. Dort stellt sie Frauen vor, die mit ihrer Arbeit und ihrem Wissen dazu beitragen, unseren Planeten lebenswert zu erhalten. Mit der Plattform will sie diesen Frauen eine Stimme geben, sie vernetzen, sie unterstützen – und sie will andere Menschen inspirieren, bewusster zu handeln. Steeger lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Köln.





Hier geht es zur Website des Buches und zur Homepage des Verlags.




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