SuperCoop Berlin – in diesem kooperativen Supermarkt bist du nicht nur Kund*in, sondern gleichzeitig auch Miteigentümer*in

Mit dem SuperCoop entsteht in Berlin ein Supermarkt mit einem kooperativen Modell: Die Kund*innen sind hier nicht nur passive Konsument*innen, sondern auch Miteigentümer*innen und können mitbestimmen, welche Produkte ins Sortiment aufgenommen und wie die Preise gestaltet werden. Das Ziel: Hochwertige und ökologisch nachhaltige Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen, an denen auch die Produzent*innen fair beteiligt werden. Mitgründerin Johanna Kühner holt mit ihrem Team dieses Konzept, welches bereits in anderen Ländern sehr erfolgreich funktioniert, nun nach Deutschland.
© SuperCoop Berlin eG
von Charlotte Clarke, 5. Juli 2021 um 08:44

Mit eurem SuperCoop wollt ihr nicht nur einen Supermarkt eröffnen, sondern eine »Lebensmittelgemeinschaft« gründen. Was unterscheidet euer Konzept konkret von einem ganz normalen Supermarkt? 

Johanna Kühner: Bei uns sind alle, die im Supermarkt einkaufen gehen, auch Miteigentümerinnen und Miteigentümer! Als Genossenschaftsmitglieder haben wir alle ein Stimmrecht sowie die volle Transparenz über die Preisgestaltung und Produkte. Um faire Preise für Erzeuger*innen und Konsument*innen zu ermöglichen und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken, helfen alle Mitglieder für 3 Stunden im Monat im Supermarkt mit! 


Welche verschiedenen Rollen haben die Menschen, die künftig beim
SuperCoop einkaufen werden? Inwieweit können sie das Projekt mitgestalten? Wird eine Mitgliedschaft o.Ä. vorausgesetzt, um bei euch einkaufen zu können?

Johanna: Alle Mitglieder haben drei Rollen: Als Miteigentümer*innen entscheiden wir mit und wissen genau, wohin unser Geld fließt. Als Mitarbeiter*innen tragen wir alle dazu bei, dass die Produkte in den Regalen stehen und ermöglichen erschwingliche Preise. Und natürlich sind wir auch alle Kund*innen und können in unserem eigenen Supermarkt einkaufen. Damit das funktioniert, können nur Mitglieder einkaufen. Aber: Alle können Mitglied werden!


Welche Kriterien habt ihr für die Auswahl eurer Produkte im Sinn? Wird es im
SuperCoop nur Bio-Produkte geben?

Johanna: Gemeinsam in unserem Plenum haben wir 10 Kriterien festgelegt, nach denen wir unsere Produkte auswählen. Dazu zählen die kulturellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse unserer heutigen und zukünftigen Mitglieder, Gesundheit & Geschmack, Regionalität, Saisonalität, nachhaltige Anbaumethoden, Tierwohl, Fairness gegenüber Erzeuger*innen, Arbeitsschutz und Menschenrechte, minimale Verpackung sowie Klimapositivität. 

Diese Kriterien nimmt unser Einkaufsteam als Grundlage, um nach neuen Produkten zu suchen und Vorschläge der Mitglieder zu prüfen. Dabei ist uns bewusst, dass wir in einem unperfekten System leben und es oft schwer oder (noch) nicht möglich ist, alle Kriterien bei allen Produkten zu erfüllen. Die meisten Produkte werden bio sein, aber nicht alle. Gerade bei Produkten, die biologisch erzeugt sehr teuer sind, wird es Ausnahmen geben und wir wollen auch mit Betrieben arbeiten, die gerade erst in der Umstellung von konventionell auf ökologisch sind und noch kein offizielles Label haben. Wichtig ist uns, dass wir loslegen und Schritt für Schritt besser werden, um Veränderungen anzustoßen. 


Wie trägt euer Konzept dazu bei, dass auch einkommensschwächere Menschen Zugang zu gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln erhalten?

Johanna: Zum einen wird 75 Prozent der Arbeit durch die Mitglieder selbst erledigt, was Kosten spart und uns eine niedrige Marge erlaubt. So tragen alle dazu bei und alle profitieren. Zum anderen ist unternehmerisches Handeln für uns nur Mittel zum Zweck. Statt Gewinnmaximierung haben wir uns die Förderung unserer Mitglieder und den Schutz unserer gemeinsamen Lebensgrundlage zum Ziel gesetzt.


Welche Menschen stecken hinter dem Projekt? Wie habt ihr zusammengefunden und wie ist die Idee zur Gründung des
SuperCoop entstanden?

Johanna: Gestartet sind wir mit ca. 10 Interessierten, die sich zufällig auf verschiedenen Veranstaltungen in Berlin zusammengefunden haben. Mittlerweile haben wir eine Genossenschaft gegründet, arbeiten mit vier Vorstandsmitgliedern fast Vollzeit am Aufbau des ersten Ladens und haben rund 600 Mitglieder, die aus verschiedenen Beweggründen dabei sind, sich mit ihren ganz einzigartigen Erfahrungen einbringen und dazu beitragen, dass eine immer vielfältigere Gemeinschaft entsteht. 


Das Konzept des kooperativen Supermarktes wurde bereits in anderen Ländern erprobt. Könnt ihr ein paar erfolgreiche Beispiele nennen? Lassen sich deren Konzepte größtenteils auf euren künftigen
SuperCoop übertragen – oder hat der Standort Berlin (bzw. Deutschland) bestimmte Besonderheiten, die beachtet werden müssen?

Johanna: Genau, die Idee für einen kooperativen Supermarkt ist nicht neu! Das Modell funktioniert bereits seit 1973 in New York und auch in Paris, Brüssel und vielen weiteren Städten mit mehreren tausend Mitgliedern. So wurden wir inspiriert und wollten die Idee auch nach Berlin und Deutschland bringen! Mittlerweile gibt es sogar weitere Projekte in München, Köln und Hamburg, die in den Startlöchern stehen. 

Während wir sehr viel von den anderen Projekten lernen können, sind auch der regionale Kontext und damit verbundene Unterschiede wichtig. So geben die Deutschen zum Beispiel insgesamt weniger ihres Einkommens für Lebensmittel aus als beispielsweise die Menschen in Frankreich und auch die Bevölkerungsdichte ist in Berlin niedriger als in Paris. Wir wollen aus diesem Grund auch Abholstationen einrichten, um auch Mitgliedern in weiteren Kiezen der Stadt den Einkauf ohne weite Wege zu ermöglichen. 


Könnt ihr euch neben der Lebensmittelversorgung andere Branchen vorstellen, bei denen solidarische und kooperative Geschäftsmodelle zum Wohle aller Beteiligten viel stärker als bislang zum Tragen kommen könnten?

Johanna: Klar, das brauchen wir insgesamt viel mehr! Bei den großen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, wie der Klimakrise, dem Erstarken antidemokratischer Bewegungen und dem demografischen Wandel, müssen wir unsere Wirtschaft neu ausrichten. Wir brauchen Geschäftsmodelle, die einen Mehrwert für die ganze Gesellschaft schaffen statt für Einzelne. 

Genossenschaften bieten aus unserer Sicht dafür großes Potenzial: Neben kooperativen Supermärkten und solidarischer Landwirtschaft im Lebensmittelbereich zeigen zum Beispiel auch Energiegenossenschaften, wie Bürger*innen den Wandel selbst in die Hand nehmen und mitgestalten können. 


Vor kurzem habt ihr eine erfolgreiche
Crowdfunding-Kampagne durchgeführt. Was sind eure nächsten Schritte und wie kann man euch unterstützen?

Johanna: Von der Unterstützung bei unserer Crowdfunding-Kampagne über Startnext sind wir immer noch begeistert! Mehr als 600 Menschen haben uns unterstützt, 430 Mitglieder sind neu dazugekommen und unser Fundingziel konnten wir so sogar übertreffen. Jetzt ist die Ladeneröffnung der nächste große Schritt und wir freuen uns über alle neuen Mitglieder, Ideen und Erfahrungen. Denn: Was eine*r nicht schafft, schaffen viele und mit jeder Mitgliedschaft kommen wir unserem Ziel ein Stück näher. 


© SuperCoop Berlin eG

Über Johanna Kühner

Johanna Kühner hat Politikwissenschaft, Nachhaltigkeit und Unternehmertum studiert und im Bereich Klimabildung sowie für das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) gearbeitet. Sie ist eine der Gründerinnen und Vorstandsmitglieder von SuperCoop Berlin. Ihre Vision ist eine Welt, in der soziale und ökologische Ziele im Mittelpunkt jeden unternehmerischen Handelns stehen und in der alle Zugang zu fair produzierten und guten Lebensmitteln haben. 



Neugierig geworden? Hier geht es lang zur Webseite von SuperCoop Berlin.



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